2016-08-07 15:12:00

Europa braucht "Synthese aus Religion, Vernunft und Gefühl", sagt Marx


Für eine neue Synthese aus Religion, Vernunft und Gefühl angesichts eines europäischen „Epochenwandels" hat sich der Erzbischof von München, Kardinal Reinhard Marx, bei einem Vortrag in Salzburg ausgesprochen. Die gegenwärtige europäische Krisensituation stelle Gesellschaft, Politik sowie die Kirchen vor die große Herausforderung, nach neuen Begründungsmustern für eine „Zivilisation der verantwortungsvollen Freiheit" zu suchen. Dieses seit dem Ende des Kommunismus etablierte europäische Selbstverständnis habe "keine Bestandsgarantie" und fordere heute eine Weiterentwicklung - mutig nach vorne blickend, ohne restaurative Tendenzen, so Marx. Dazu könne auch der christliche Glaube und seine eng mit der europäischen Freiheitsgeschichte verwobene Tradition einen wichtigen Beitrag leisten.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz referierte in Salzburg als Festredner zum Abschluss der „Salzburger Hochschulwochen", die in diesem Jahr unter dem Generalthema „Leidenschaften" standen.

Im Kern der gegenwärtigen Krisensituation, die man bis in Konflikte auf familiären Ebenen hinein nachverfolgen könne, lasse sich laut Marx ein Missverhältnis von Glauben, Vernunft und Gefühl ausmachen. So sei das von dem Politologen Francis Fukuyama Anfang der 1990er-Jahre ausgerufene „Ende der Geschichte" letztlich in ein Ende der großen Erzählungen gemündet, die Europa über Jahrhunderte geprägt und zivilisiert hätten - dazu zählten auch jene großen biblischen Erzählungen, die, wie die Gleichnisse oder die Bergpredigt, selbst religiös unmusikalischen Menschen etwas sagen, so der Münchener Erzbischof. Heute würden indes „große Erzählungen" wiederkehren - allerdings in Form von Nationalismus, nationalen Interessen und Identitäten und Abgrenzungen von anderen: „Werden wir es in dieser Situation als Kirche schaffen, eine neue kulturelle Synthese voranzutreiben? Oder erstarren auch wir in der Sorge um Identität?"

Die Forderung nach einer neuen Synthese von Glaube, Vernunft und Gefühl gelte jedoch auch im innerkirchlichen Raum, so Marx weiter, stehe doch die Kirche in der Gefahr, das Gefühl gegenüber dem Verstand überzubetonen. Glaube könne hingegen als Teil einer „Aufklärung über die Aufklärung" verstanden werden, dies müsse man gerade in einem „religiös aufgeheizten Umfeld" immer wieder betonen. „Wer das Evangelium hört, die Botschaft Jesu meditiert, der kann kein Fundamentalist werden", so die Überzeugung des Kardinals. Daher dürfe der Glaube auch "niemals auf die intellektuelle Kraft der Theologie verzichten", die die Glaubensquellen erschließt und erklärt.

Ein konkreter Beitrag der Kirche zu einer weiterzuentwickelnden „Zivilisation verantwortungsvoller Freiheit" könne laut Marx etwa in einer mutigen Fortentwicklung der Pädagogik auch durch die Kirchen bestehen. Zwar pflege man kirchlicherseits ein breites System von kirchlichen Schulen, „aber mir ist nicht bekannt, dass wir uns bei der Entwicklung eines ganzheitlichen Bildungskonzepts bisher sehr hervorgetan haben", so Marx. Ein Ziel müsse etwa darin bestehen, ein „nur instrumentelles Verständnis von Bildung" aufzubrechen.

(kap 07.08.2016 gs)








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