2016-07-25 10:25:00

Nach den Anschlägen: Prävention von Amokläufen ist möglich


 

Was tun, um Amok-Taten wie die von München zu verhindern? Hätte man es verhindern können und was folgt nun aus den Erkenntnissen für die Zukunft? Die Vermeidung von Amokläufen oder ‚School Shootings’, wie Amokläufe in der Fachliteratur genannt werden, ist schon länger ein wichtiges Thema. Nach den Ereignissen von Winnenden und Wendlingen im Jahr 2009 ist dazu viel diskutiert und einiges entwickelt worden. Hinzu kamen deutsche wie internationale Veröffentlichungen. Das Buch des Autors Peter Langman „Amok im Kopf“, das auch der Münchner Amoktäter gelesen hatte, ist ein Beispiel dafür. Wieviel Chancen hat präventives Handeln, um Amokläufe insbesondere junger Menschen zu verhindern? „In meinen Augen hat Prävention große Chancen“, sagt Günter Dörr vom Saarländischen Institut für präventives Handeln im Gespräch mit Radio Vatikan. „Bei allen bisher registrierten Amokläufern  hat es sogenannte ‚Leakings’ gegeben. Das sind Hinweise des Amokläufers oder der Amokläufer auf ihre Taten - ob das in sozialen Medien ist, in Tagebüchern, in Gesprächen mit Freunden. Die Schwierigkeit ist nur, diese Informationen, die sehr verteilt sind, zusammenzubringen. Wenn es im Rahmen eines Bedrohungsmanagements gelingt, diese Informationen zusammenzubringen, dann kann man im Vorfeld solche Taten auch verhindern.“

Amokläufern geht es auch darum, weltweite Aufmerksamkeit mit ihrer Tat zu finden, eine These, welcher der Erziehungswissenschaftler Günter Dörr zustimmt. Er sieht die Rolle der Medien in dieser Situation kritisch: „Es ist sicher kontraproduktiv, dass wie in München der Name des Täters, ein Bild, des Täters veröffentlicht werden. Aber gerade angesichts der Mediensituation, was die sozialen Medien und was die öffentlich-rechtlichen Medien anbetrifft, bin ich da sehr skeptisch. Wenn man sich die Berichterstattung am vergangenen Freitag auch in den öffentlichen Medien anschaut: Da ist im Grunde über Stunden live berichtet worden. Das ist sicher kontraproduktiv.“

Auch der Werther-Effekt, benannt nach Goethes Werther, spielt eine Rolle. Dieser Effekt beschreibt, dass Taten nachgeahmt werden und so einer ganzen Serie vergleichbarer Taten kommen kann: „Der Werther-Effekt ist belegt bei Amokläufen. Man kann nach Amokläufen, insbesondere wenn medial intensiv darüber berichtet worden ist, eine Häufung an Amokdrohungen feststellen. Ob diese Amokdrohungen dann auch in die Tat umgesetzt werden, ist wieder eine andere Frage. Aber man kann diese Tatsache immer wieder beobachten. Und so ist es auch nicht von der Hand zu weisen, dass es in dieser Situation, in der sehr intensiv berichtet worden, sich Trittbrettfahrer sich zu Taten aufgerufen fühlen.“

Amokdrohungen nehmen zu
Die mediale Berichterstattung macht natürlich auch etwas mit den Menschen. Auch diese Frage wird in der Medienwissenschaft breit erörtert. Eine Vermutung lautet, dass die Berichterstattung über  Gewalt Ängste bei den Menschen kultiviert, deren Weltsichten verändert und letztlich auch ein anderes gesellschaftliches Klima entsteht. „In der gegenwärtigen Situation glaube ich auch, dass diese so genannte Kultivierungshypothese viel für sich hat. Wenn man berücksichtigt, was in den vergangenen Monaten passiert ist, ob das in Paris oder ob das in Brüssel war oder jetzt München bzw. in Ansbach: Ich glaube, das wird die Situation verändern. Hinzu kommt, dass es bestimmte politische Gruppen wie die AfD in Deutschland, der Front National in Frankreich oder auch Donald Trump versuchen, politisches Kapital aus solchen Situationen zu schlagen. Ich glaube schon, dass das zu einer gesellschaftlichen Verschärfung führen wird. Wir müssen sehr genau darauf Acht geben, was wir an persönlichen Freiheit bereit sind aufzugeben, um einen Schutz  der nie vollständig sein kann.“

 

(rv 25.07.2016 mch)

 

 








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