2016-07-21 09:30:00

D: Migranten-Organisationen brauchen Unterstützung


Dass und wie Deutschland eine so große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen hat und versorgt, wird – trotz aller politischen Kontroverse – international mit großem Respekt betrachtet. Medizinische Angebote, Arbeit, Bildung, Wohnraum für Flüchtende - all das ist wichtig. Es sind primäre Aufgaben, sagt Klaus Barwig, Migrationsexperte bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Aber jetzt gehe es zunehmend darum zu sehen, was die Menschen an Vorerfahrungen, Erlittenem, an Kultur mit nach Deutschland brächten, und sie dabei zu unterstützen, dies in ihren neuen Alltag zu integrieren. „Denn was heißt ,das Mitgebrachte´? Es ist Teil der Identität dieser Menschen. Und das Mitgebrachte bedeutet Prägungen in Sprache in Kultur, in Religion. Und Prägungen sind nicht nur Werte, die zu Wertschätzungen führen, sondern Prägungen sind auch negative Prägungen. Man bringt Geschichten des Scheitern des Verletztseins, des Krankgewordenseins mit. Und all das wird die Wirklichkeit der Menschen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte bestimmen.“

Den Flüchtlingen – gerade den Muslimen – einen Platz für ihre Religiosität in den Aufnahmeländern einzuräumen, ist politisch ein sensibles Thema. Nicht zuletzt die Rechtspopulisten haben den Kampf gegen islamische Religionsausübung im öffentlichen Raum ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Klaus Barwig sieht hier auch die christlichen Kirchen gefordert: „Kirche wird sich natürlich zurückhalten - und das ist völlig naheliegend -, muslimische Strukturen aufbauen zu helfen oder den Muslimen in den eigenen Einrichtungen, wenn es um Glaubensdinge geht, zu nahe zu treten. Das ist nicht der Punkt. Aber Kirche wird im gesellschaftlichen Diskurs ein Wort mitreden müssen, schon aus Eigeninteresse, dass es religiöse Strukturen in unserem Land gibt, die die Muslimen bei diesen Aspekten ihrer Existenz unterstützend begleiten."

Barwig empfiehlt dringend, den Aufbau von Migrantenorganisationen – also von den Flüchtlingen organisierten Selbsthilfegruppen – zu unterstützen.

„Das was sich in unserer Gesellschaft an Vielfalt an Selbsthilfeorganisationen und Zivilgesellschaften entwickelt hat und zeigt, das sollte wenigstens in Teilen auch den auf Dauer hier zugewanderten Flüchtlingen ermöglicht werden. Das wird nicht ohne gesellschaftliche und staatliche Unterstützung gehen.“ Die Gesellschaft müsse aber genau hinschauen, wer hier aktiv wird und auch mitgestalten. „Dafür bräuchten wir aussagefähige Selbstorganisationen der Leute selbst, die mit dem Staat und der Gesellschaft im Dialog sind."

 

(rv 180716 mch)








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