2016-07-11 11:06:00

Der Brexit und die Synode der anglikanischen Kirche


Seit Freitag tagt in York die Synode der anglikanischen Kirche von England – und natürlich beschäftigt sie sich auch mit der Lage im Land nach dem Brexit-Referendum vor drei Wochen. Der Brexit-Schock „ist noch überhaupt nicht verdaut“, sagt der anglikanische Domkapitular im englischen Leicester, Johannes Arens. „Es stellt sich immer mehr heraus, dass die Wahlversprechen nicht haltbar sind. Im Moment geht es darum: Wer drückt den roten Knopf mit dem Artikel 50. Aber niemand ist bereit. Jeder, der das tun könnte, ist zurückgetreten.“

Artikel 50 regelt den EU-Austritt. „Wir werden vielleicht die EU verlassen, aber wir werden nicht Europa verlassen“, das hat der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, gesagt. Welby leitet die Synode in York. Was für ein Gewicht es hat, wenn ein Kirchenmann solche Worte spricht? „Schwer zu sagen. Es ist immer die Frage, ob es Sinn macht, dass sich die Kirche politisch äußert. Und normalerweise äußert sich die Synode zu politischen Fragen fast gar nicht. Sie ist dafür da, disziplinarische Kirchenfragen zu entscheiden. Nichtsdestoweniger gibt es hier eine Ausnahme.“

Und diese Ausnahme hat mit den massiven fremdenfeindlichen und rassistischen Übergriffen zu tun, die es nach dem Referendum in den verschiedensten Teilen des Vereinten Königreichs gegeben hat. „Es widerspricht auch völlig dem britischen Sinn von Fair-Play. Das schreckt die allgemeine Bevölkerung sehr auf. Die meisten Leute sind davon schockiert und angewidert. Und da sagt die Kirche zu Recht, das ist eine völlig andere Ebene, und da werden wir uns ganz deutlich äußern, dass das nicht geht.“

Im Moment denkt Schottland über ein weiteres Referendum nach, um eventuell das Vereinigte Königreich zu verlassen. Hätte das Konsequenzen für die anglikanische Kirche? „Das kann man überhaupt nicht sagen. Ob das denn passiert und ob das Referendum wirklich stattfindet, das hängt ja von London ab. Im Moment gibt es zehn bis 20 mögliche Szenarien, was sich politisch entwickeln könnte... Welche Folgen das dann für die Kirche hat, das kann man noch nicht voraussagen.“

Das Einzige, was zunehmend deutlich werde, sei, „dass das Ganze massive finanzielle Auswirkungen hat“, so Arens. „Das Pfund und der Börsen-Markt sind im freien Fall, mehrere große Arbeitgeber wollen in andere Länder. Plötzlich merken viele, dass der Austritt nicht einfach so geht, sondern dass da Arbeitsplätze dranhängen und auch Geld.“ Und das merke natürlich auch die Kirche sehr deutlich. „Wir haben in England kein Kirchensteuer-System und sind als Kirche ausschließlich von Spenden abhängig. Die wirtschaftliche Lage merken wir sofort!“

Ein weiteres großes Thema bei der Synode ist die Frage einer kirchlichen Trauung für gleichgeschlechtliche Paare. Das ist eines der Themen, die die anglikanische Weltgemeinschaft zu sprengen drohen. „Die Frage ist die: Ist das eine Glaubensfrage oder eine disziplinarische Frage? Die anglikanische Kirche trifft keine Glaubensentscheidungen, dafür braucht es ein Konzil. Wir sind nur Teil der Kirche und nicht die ganze Kirche.“

Trotzdem blicken natürlich alle interessiert oder auch alarmiert auf die Haltung der englischen Kirche – sie ist ja die Mutterkirche der anglikanischen Gemeinschaft. „Wir stellen uns die Frage: Ist es eine Änderung des Ehesakramentes, oder eher nicht? Da gibt es Leute, die sehen das in die eine oder in die andere Richtung. Ganz klar: Da gibt es eine sehr scharfe und dringliche Diskussion, weil Leute sagen: Unsere Lebens-Realität wird von der Kirche nicht gesehen.“

Da sei eine sehr offene Diskussion innerhalb der Kirche im Gang, so Arens. „Wir sind uns bewusst, dass der Vatikan uns sehr genau dabei beobachtet, wie wir mit den Konflikten umgehen. Am Ende sind diese in allen Kirchen gleich, aber bei uns sind sie vielleicht ein bisschen offener.“

Allerdings haben die zwei letzten Bischofssynoden im Vatikan zum Thema Ehe und Familie gezeigt, dass auch da das offene Wort gepflegt wird. Arens schlägt einen Bogen von der anglikanischen zur vatikanischen Synode: „Die Synode macht etwas ganz ähnliches wie die vatikanische Synode im letzten Jahr, nämlich dass sie sich den Lebensrealitäten der Menschen stellt. Heute Nachmittag hat sie Leute eingeladen, die über ihre Situation berichten. Ein Kollege spricht darüber, wie er seit 26 Jahren in Treue und Liebe mit seinem männlichen Partner zusammenlebt. Die Synode hat sich dazu entschlossen, sich das anzuhören. Sie will sich auch dem stellen, wenn jemand sagt: Ihr akzeptiert mich nicht und ihr folgt nicht dem Evangelium, wenn ihr uns nicht zuhört. Ich bin gespannt, was das für einen Effekt auf die Synodalen hat.“

(domradio 11.07.2016 sk)








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