2016-07-09 12:50:00

Zentralafrika: Scharmützel, aber mit dem Ziel Rechtsstaat


In der Zentralafrikanischen Republik kommt es trotz des erklärten Ende des blutigen Bürgerkrieges immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Sie sind aber kein Wiederaufflammen des Bürgerkrieges, sondern „kleine Scharmützel in Erwartung einer Neuordnung“ – das ist die Einschätzung des scheidenden Nuntius in Zentralafrika, Erzbischof Franco Coppola; seine Abberufung nach Mexiko City, einem der wichtigsten diplomatischen Außenposten des Heiligen Stuhles,  hat der Vatikan an diesem Samstag bekannt gegeben.

In Bangui hatte Coppola als Nuntius nicht nur die dramatischen Stationen des Bürgerkriegs miterlebt, sondern im vergangenen November auch Papst Franziskus empfangen, der entgegen aller Warnungen in das vom Krieg zerrissene Land gereist war. Der Gast aus Rom hatte unter anderem ein Flüchtlingslager besucht und das Außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit eröffnet - ausgerechnet in Zentralafrika, einer der wahren Peripherien der Welt. Sein Besuch erwies sich nach Ansicht vieler Beobachter als bahnbrechend für den Friedensprozess im Land.

Womit also hängen die jüngsten Episoden der Gewalt in Zentralafrika zusammen? Der Nuntius sagt, sie sind kein Wiederaufflammen des Krieges und betreffen auch nicht die unbeteiligte Zivilbevölkerung, sondern sind dem immer noch herrschenden Klima der Illegalität geschuldet, auch seitens der Regierungstruppen.

„Es handelt sich um kleine Scharmützel in Erwartung einer Neuordnung. Das große Problem, dem die Regierung sich gegenübersieht, und das alle - auch die Milizen - betrifft, ist deren Entwaffnung.“ Doch noch gebe es keinen gesicherten Plan, wie diese Entwaffnung ablaufen solle, so der Nuntius. „Als Konsequenz versucht jeder sich in eine vorteilhafte Position zu bringen, um dann eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Deshalb kann es zu Zusammenstößen kommen, doch die haben wirklich nichts damit zu tun, was noch in den vergangenen Monaten passiert ist.“

Die Gewaltepisoden, auf die der Nuntius anspielte, hätten vor allem mit Illegalität und Korruption zu tun. So habe beispielsweise eine Gruppe von ehemaligen Seleka-Rebellen eine Schafherde im Norden des Landes eskortiert, als sie unter einem Vorwand von Polizisten aufgehalten wurden. Diese hätten mit einer lokalen christlichen Miliz zusammengearbeitet und sieben von acht Hirten getötet, um sich der Herde zu bemächtigen. Anschließend sei es zu Racheakten der Seleka in dem betreffenden Dorf gekommen, ohne dass allerdings die Dorfbewohner selbst angegriffen worden seien; erst die „Blauhelme“ der Internationalen MINUSCA-Truppe hätten die Ordnung wiederherstellen können.

Auch in der Hauptstadt Bangui habe es wieder Zusammenstöße gegeben, Polizisten wurden von einer Bürgerwehr als Geiseln genommen, um die Freilassung unter unklaren Umständen festgenommener Männer zu erpressen: „Sie haben eine Polizeiwache überfallen und genauso viele Polizisten als Geiseln genommen, wie ,Peuls´ verhaftet worden sind, also sechs. Es gab Momente großer Anspannung. Die UN-Truppe ist mit großer Härte gegen die Bande vorgegangen und hat einige von ihnen getötet. Die Polizisten sind schließlich freigelassen worden.“ Doch:

„Das sind alles Episoden, die dem Übergang aus einem Kriegszustand, in dem nur zählt, was man mit Waffengewalt erreichen kann, zu einem Rechtsstaat, in dem nur die Staatsgewalt Waffen rechtmäßig benutzen darf, geschuldet sind. Das Problem ist, dass die staatlichen Kräfte noch nicht bereit dazu sind, diese Rolle zu übernehmen. Man darf nicht vergessen, dass Zentralafrika ein Land ist, in dem alle Sicherheitskräfte und die Armee von den Vereinten Nationen aufgelöst worden sind, weil sie nicht mehr rechtmäßig agiert haben. Der große Unterschied, den ich bei diesen Gewaltepisoden ausmache, ist, dass in früheren Zeiten eine gewaltsame Reaktion auch die Bevölkerung einbezogen hätte. Nun beschränken sich die Parteien aber auf gezielte Aktionen, wie beispielsweise die Festsetzung von genau so vielen Polizisten wie diejenigen, die verhaftet worden sind, um sie auszutauschen. Die Reaktionen schließen nicht mehr die Bevölkerung ein: Ich denke, das ist wirklich eine große Errungenschaft.“

Ein weiterer Meilenstein: Es handele sich vor allem um rein kriminelle Vorfälle, die nichts mehr mit den ursprünglich tobenden und von den Parteien instrumentalisierten Religionskonflikten zu tun hätten. „Mittlerweile ist die Auseinandersetzung zwischen den bewaffneten Staatsvertretern, die oft selbst illegal handeln, und den Milizen. Die Bevölkerung wird nicht mehr einbezogen. Und auch diese Truppen wissen, dass sie der Legalität nicht auskommen werden. Es sind Scharmützel, die noch aus drei Jahren der absoluten Illegalität herrühren, und langsam wird das sicherlich nachlassen. Die Regierung braucht Unterstützung, denn es ist leider überhaupt nicht einfach, sich auf einem derartigen Minenfeld zu bewegen.“

(rv 09.07.2016 cs)








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