2016-07-02 10:19:00

D: Europa auf Sinnsuche in München


„Das Christentum ist nicht dazu da, religiöse Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um die Welt in ein neues Licht zu setzen.“ Das sagte Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, am Freitagabend bei einem Kongress in seiner Bischofsstadt München. Darauf, dass die Menschenrechte oder auch das deutsche Grundgesetz wesentliche Wurzeln in der Botschaft Jesu hätten, dürften sich Christen nichts einbilden. Vielmehr sollten sie sich in einer demütigen Haltung auf den Weg machen, diese Botschaft in der Welt konkret sichtbar zu machen.

Marx war Gast des internationalen Netzwerks „Miteinander für Europa“, das in München einen internationalen Kongress abhält. Christen sollten die neue Gefahr eines primitiven Nationalismus überwinden und in Europa enger zusammenarbeiten, riet Marx.

Der österreichische Kommunist Walter Beier vom europäischen Netzwerk „transform! Europe“ ermutigte die Christen, keine Angst vor der Säkularisierung zu haben: „Was die letzten Sinnfragen betrifft, sind wir einander näher als wir denken, es geht um Menschsein in Fülle.“ Beier hat als Mitglied der Delegation der Nichtglaubenden im Oktober 2011 am Friedensgebet der Religionen und Nichtglaubenden in Assisi teilgenommen, zu dem Papst Benedikt XVI. eingeladen hatte.

Michael Hochschild, Forschungsdirektor und Professor für postmodernes Denken am TimeLab in Paris, unterstrich die gesellschaftspolitische Bedeutung der Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften in Europa. Sie seien die Antwort auf die Frage, ob die Hoffnung eine Zukunft habe, denn sie zeigten schon heute, wie es morgen anders gehen könnte. „Wir stecken in einer tiefen Systemkrise der modernen Gesellschaft. Das Betriebssystem der Gesellschaft funktioniert nicht mehr. Sie als Bewegungen schaffen das nötige Vertrauen in die Zukunft. Dafür müssen Sie sich aber noch stärker als kulturelle Gestaltungskräfte verstehen und zeigen. Sie müssen 'soziale Bewegungen' werden.“

Herbert Lauenroth, Kulturwissenschaftler am Ökumenischen Lebenszentrum in Ottmaring (Augsburg), deutete die aktuelle Situation in Europa als Reaktion der Angst und Unsicherheit auf ein Gefühl existentieller Enge. Doch gleichzeitig liege genau darin eine Herausforderung: „Angst vor der Zukunft kann genau das sein, was uns zwingt, alles dafür zu tun, dass die Zukunft besser wird.“ Die Angst könne zur Lernerfahrung werden: „Es geht darum, das Unbekannte, Fremde und Randständige zu bevorzugen als Lernort des Glaubens.“ Durch die Auseinandersetzung mit den Abgründen, denen die Gesellschaft gerade aktuell begegne, sei eine neue Orientierung auf die Quellen des Glaubens möglich. Es brauche eine „Schubumkehr“ im Sinne einer neuen Ausrichtung auf die Inhalte des Glaubens, Gott bewirke Ent-Ängstigung und das sei die Basis für eine neue, notwendige Kultur des Vertrauens in Europa.

(pm/rv 02.07.2016 sk)








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