2016-06-25 09:00:00

Papst: Abgründe des Lebens und Barmherzigkeit Gottes


Strahlende Sonne in Gjumri am zweiten Reisetag des Papstes in Armenien: und mit strahlenden Gesichtern empfingen die katholischen Gläubigen auf dem großen Platz in der armenischen Stadt Franziskus, der gemeinsam mit dem armenisch-apostolischen Katholikos Karekin II. kam. Zu Beginn richtete das Oberhaupt der armenischen Gläubigen einige Dankesworte an den Papst. Es folgte die Heilige Messe mit dem Papst.

In seiner Predigt stellte der Papst die Frage, worauf es sich lohne, das Leben aufzubauen, um dann drei „tragfeste Fundamente“ vorzuschlagen. „Das erste Fundament ist das Gedächtnis“, so der Papst. Man dürfe nicht vergessen, dass Gott erwählt, geliebt, berufen und vergeben habe. Diese Ereignisse müssten „im Herzen mit neuem Leben“ erfüllt werden. „Doch es gibt auch ein anderes Gedächtnis, das gehütet werden muss: das Gedächtnis des Volkes. Die Völker haben nämlich ebenso ein Gedächtnis wie die einzelnen Menschen. Und das Gedächtnis eures Volkes reicht in ferne Zeiten zurück und ist kostbar. In euren Stimmen klingen die der heiligen Weisen der Vergangenheit nach; in euren Worten liegt der Widerhall derer, die euer Alphabet geschaffen haben, um das Wort Gottes zu verkünden; in euren Liedern verschmelzen die Seufzer und die Freuden eurer Geschichte miteinander.“ Das Gedächtnis helfe dabei zu erkennen, dass auch unter schrecklichen Widerwärtigkeiten Gott das Volk besucht habe.

Das zweite Fundament ist der Glaube, der allerdings immer in der Gefahr stehe, auf etwas Vergangenes reduziert zu werden, warnte der Papst für einem Romantisieren des Vergangenen. „Wenn aber der Glaube in die Archive der Geschichte eingeschlossen wird, verliert er seine verwandelnde Kraft, seine lebendige Schönheit und seine positive Offenheit allen gegenüber.“ Der Glaube blühe hingegen immer neu „aus der lebendigen Begegnung mit Jesus, aus der Erfahrung seiner Barmherzigkeit“, die täglich neu erfahren werden müsse.

Und damit war der Papst auch schon bei Fundament Drei, der barmherzigen Liebe: „Wenn die Nächstenliebe gelebt wird, dann verjüngt sich das Antlitz der Kirche und wird anziehend.“ Andere Arten, sich zu präsentieren, könnten irreführend oder sogar nutzlos sein, so der Papst. Einen Hinweis darauf, was das konkret bedeutet erläuterte der Papst mit Blick auf den Heiligen des Landes, Gregor von Narek, den er erst kürzlich zum Kirchenlehrer erklärt hatte. „Wir könnten uns fragen: Wie kann man barmherzig werden mit all den Fehlern und Erbärmlichkeiten, die jeder in und um sich herum sieht?“ Gregor hätte wie kaum ein anderer die Abgründe des Menschen ausgelotet, „doch er hat die menschlichen Erbärmlichkeiten immer in Dialog mit der göttlichen Barmherzigkeit gebracht“.

Auf dieser Dynamik des Erkennens des Bedürfnisses nach Barmherzigkeit und des sich nicht in sich Verschließens könne der Glauben wachsen, so Papst Franziskus.

Nach der Messe trat der katholische Erzbischof Raphael Minassian ans Mikrofon und dankte dem Papst in bewegenden Worten für sein Kommen. Er erinnerte während seiner Ansprache an die „Millionen Märtyrer“, die sein Volk der Kirche während der vergangenen Jahrhunderte gegeben habe und unterstrich, dass die armenischen Christen im In- und Ausland auch heute noch aufgrund ihres Glaubens vielfältigen Verfolgungen ausgesetzt seien. Gleichzeitig verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, der Papstbesuch möge zu einer „wahren Einheit unter den Kirchen sowie des Staates” beitragen.

Bevor der Papst das Gelände verlies, erinnerte er nochmals an die vorbildliche Arbeit derer, die sich für Menschen in Not einsetzen, und nannte dabei ausdrücklich das Krankenhaus von Ashotsk, das vor fünfundzwanzig Jahren eröffnet wurde und als das „Krankenhaus des Papstes“ bekannt sei. Vom heiligen Johannes Paul II. gewollt, sei es immer noch eine sehr wichtige Einrichtung, die den Leidenden nahe ist. Im Abschluss an die Messe wurde er ins Konvent „Unserer Heiligen Frau von Armenien“ eskortiert, wo er das Mittagessen in privater Form einnehmen wird. Das Konvent beherbergt etwa 60 Waisenkinder sowie eine Berufsschule.

(rv 25.06.2016 ord/mg)








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