2016-06-22 15:56:00

D: „Belastung“, aber „kein Bruch“


Die katholische Kirche ist durch Konflikte an der Kirchenspitze nicht grenzenlos belastbar. Diesen warnenden Ton schlägt der deutsche Philosoph Robert Spaemann in einem weiteren kritischen Beitrag zum Papstdokument „Amoris laetitia“ an. In der Zeitung „Die Tagespost“ wirft er dem Papst Unklarheit und Zweideutigkeit vor.

So behaupte „Amoris laetitia“ etwa, auch Jesus habe „nur ein anspruchsvolles Ideal vorgeschlagen“, kritisiert Spaemann und setzt dem anderslautende Bibelstellen entgegen. Jesus predige keineswegs bloß ein Ideal, wie dies der Papst schreibe, „sondern er stiftet eine neue Realität, das Reich Gottes auf Erden“.

Die nach Meinung Spaemanns nicht evangeliumskonforme Sichtweise des Papstes müsse daher zu Kontroversen führen: „Wenn sich inzwischen der Präfekt der Glaubenskongregation gezwungen sieht, einen der engsten bischöflichen Berater und Ghostwriter des Papstes [Erzbischof Victor Fernandez, der als Ghostwriter für „Amoris laetitia“ gilt; Anm.] öffentlich der Häresie zu bezichtigen, sind die Dinge eigentlich schon zu weit gekommen. Auch die römisch-katholische Kirche ist nicht grenzenlos belastbar“, schreibt Spaemann.

Er erinnert daran, dass seine bereits im Mai geäußerten kritischen Bemerkungen lebhafte Reaktionen hervorgerufen hätten – „teils enthusiastische Zustimmung, teils Ablehnung“. Die Ablehnung beziehe sich in erster Linie auf den Satz, die Anmerkung 351 stelle einen „Bruch mit der Lehrtradition der katholischen Kirche“ dar. In dieser Hinsicht rudert Spaemann nun zurück. „Was ich sagen wollte, war, dass einige Äußerungen des Heiligen Vaters in eindeutigem Widerspruch stehen zu Worten Jesu, zu Worten der Apostel sowie zu der traditionellen Lehre der Kirche. Von einem Bruch sprechen sollte man allerdings nur dann, wenn ein Papst unter förmlicher Berufung auf seine apostolische Vollmacht eindeutig und ausdrücklich - also nicht beiläufig in einer Fußnote - etwas lehrt, was im Widerspruch zur genannten Lehrtradition steht. Der Fall ist hier nicht gegeben.“

Bruch sei somit keiner vorhanden, allerdings schon deshalb nicht, weil Papst Franziskus ohnehin kein Freund der Eindeutigkeit sei, glaubt Spaemann: „Wenn er unlängst erklärte, das Christentum kenne kein Entweder-Oder, stört es ihn offenbar nicht, dass Christus sagt: Eure Rede sei ja - ja, nein - nein. Alles darüber hinaus ist von Übel (Mt 5,37).“

Der deutsche Philosoph nimmt dann Bezug darauf, dass sich Franziskus auf dem Rückweg von Lesbos beklagt hatte, „dass man, angestachelt durch die Medien, seinen zahlreichen Erörterungen zur alarmierenden Lage der Familie mehr oder weniger aus dem Wege gehe, um sich an einer Fußnote zum Thema Kommunionempfang festzubeißen“. Dem müsse entgegengehalten werden - so Spaemann -, dass sich die vorsynodale öffentliche Debatte nun einmal um dieses Thema gedreht habe: „Denn hier gibt es tatsächlich nur ein Ja oder Nein. Die Debatte wird nun fortgesetzt, und zwar ebenso kontrovers wie vorher, weil sich der Papst weigert, die diesbezüglich klaren Äußerungen seiner Vorgänger zu zitieren, und weil seine Antwort offenkundig so mehrdeutig ist, dass jeder sie zugunsten der eigenen Meinung interpretieren kann und interpretiert.“

(kap 22.06.2016 sk)








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