2016-06-19 08:53:00

Das panorthodoxe Konzil beginnt


Ein historischer Tag: Auf der Insel Kreta beginnt das panorthodoxe Konzil, das erste seit 1.200 Jahren. Eine „Göttliche Liturgie“ in der Kathedrale Hagias Minas bildete an diesem Sonntag, dem orthodoxen Pfingstfest, den Auftakt des Konzils, am Montag beginnen dann die Arbeiten unter Federführung des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I. Abwesend sind allerdings vier Kirchen, darunter die russisch-orthodoxe, die die größte aller orthodoxen Kirchen ist.

In seiner Predigt betonte Bartholomaios, dass die Versammlung auf Kreta die ganze Orthodoxie repräsentiere. Die gemeinsame Eucharistiefeier bekräftige die „Einheit und Katholizität der orthodoxen Kirche“. Ohne konkret auf die aktuellen innerorthodoxen
Konflikte einzugehen, erklärte der Patriarch, es genüge nicht, die Einheit auf einer theoretischen Ebene zu behaupten, sondern es bedürfe auch einer Antwort auf der praktischen Ebene, an der es derzeit bedauerlicherweise fehle. 

Bartholomaios-Berater: Es fehlt ein bisschen an Demut

Nikos Tzoitis ist enger Mitarbeiter von Bartholomaios I. Er betont im RV-Interview, dass das Knirschen im Konzilsgebälk nichts mit theologischen Gegensätzen zu tun habe. „Das ist keine Schwäche in Glaubensfragen, sicher nicht, denn es besteht eine Gemeinschaft im Glauben. Die orthodoxe Kirche muss einfach demonstrieren, dass das erste Jahrtausend, in dem noch der Kaiser für die Einberufung eines ökumenischen Konzils sorgte, vorüber ist! Im zweiten Jahrtausend haben sich die Ostkirchen getrennt, im Jahr 2000 haben sie sich wiedergefunden, und jetzt, im dritten Jahrtausend, müssen sie eine Antwort auf die Krise finden, die es heute in der Welt gibt. Das ist keine dogmatische Frage, sondern eine Meinungsäußerung. Natürlich macht das (Fernbleiben einiger Kirchen) traurig, aber es besorgt uns auch nicht über Gebühr, denn hier geht es leider um Politik und nicht so sehr ums Christliche. Meiner Meinung nach mangelt es ein bisschen an Demut.“

Worin besteht denn genau das Problem in der Weltorthodoxie, jenseits der Hakeleien um die Verfahrensordnung der „Großen und Heiligen Synode“? „Die orthodoxe Kirche ist stark an die Tradition gebunden. Mir kommt da ein Wort des großen Theologen Joannis Zizioulas in den Sinn, der sagte: Die Tradition ist die Wahrheit und müsste deshalb auch die Dynamik der Wahrheit haben. Darum müsse sich jede Epoche ihre Tradition formen und dürfe sich nicht einschließen lassen in die Traditionen der Vergangenheit. Hier rühren wir an das Problem der orthodoxen Kirche: Sie muss herauskommen aus ihren Ängsten und den Dingen der Vergangenheit. Vergessen wir nicht, welchen Mut die großen Kirchenväter aus der Zeit, als die Kirche noch geeint war, hatten, wenn sie ihre zeitgenössische Welt herausforderten. So müsste das auch die orthodoxe Kirche (heute) halten...“

Aougoustinos: Die Einheit ist da

Unter den über 170 Bischöfen, die am Konzil von Kreta teilnehmen, ist auch Metropolit Aougoustinos (Lambardakis), Exarch von Zentraleuropa; der auf Kreta geborene Kirchenmann hat seinen Sitz in Bonn. Er betont im ZDF, das Konzil habe eine „große historische Bedeutung“: „Denn so viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte haben wir nicht getrennt gelebt, aber vielleicht isoliert, jeder für sich.“ Die orthodoxe Kirche sei im Moment keineswegs gespalten: „Die Einheit ist da! Wir haben den gleichen Glauben – deshalb auch in Deutschland die orthodoxe Bischofskonferenz, bei der alle mitmachen. Das Skandalon ist, dass dadurch, dass manche fehlen, die Gläubigen und auch die anderen Christen weltweit irgendwie verunsichert sind.“

Trotzdem geht Aougoustinos davon aus, dass das Konzil „eine Betonung der Einheit der Orthodoxie“ zum Ergebnis haben wird. „Natürlich: Diejenigen, die nicht gekommen sind, müssen das in der Geschichte verantworten, warum sie nicht gekommen sind. Sie haben das ja in Genf alle einstimmig beschlossen, sie haben sogar alle unterschrieben – wir haben ihre Unterschriften! Also – sie müssen wissen, warum sie nicht gekommen sind. Aber die Kirche bleibt trotzdem eine.“ Auf einer sogenannten Synaxis, einer Ratsversammlung der orthodoxen Kirchen, hatten die Kirchenführer sich in der Nähe von Genf vor fünf Monaten auf Datum und Verfahrensordnung des Konzils verständigt.

Worauf der Metropolit hofft? „Dass wir es erreichen, erfolgreich und einstimmig alles zu beschließen und so der Welt eine gute Botschaft zu vermitteln.“ Eine Botschaft der Einheit – trotz der vier leeren Stühle im Konzilssaal.

Hintergrund

Beim ersten Konzil der Orthodoxie der Neuzeit stehen sechs Beschlussvorlagen zu innerorthodoxen Fragen sowie zu den Beziehungen zu den anderen Kirchen und zur Weltverantwortung der orthodoxen Christen auf der Tagesordnung. Zudem soll es eine Botschaft des Konzils geben. Die Arbeitssitzungen beginnen am Montag in der Orthodoxen Akademie von Kolymvari im Nordwesten der Insel.

Eingeladen zur Eröffnungs- und Schlussversammlung sind auch Beobachter aus der Ökumene, darunter der vatikanische Ökumeneminister, Kardinal Kurt Koch, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sowie Vertreter des Weltkirchenrats und der Kirchen der Reformation.

Weltweit gibt es etwa 300 Millionen orthodoxe Christen.

(rv 19.06.2016 sk)








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