2016-06-10 08:44:00

Motu Proprio: „Neue Prozedur gibt Bischöfen auch Garantien“


Es hat einige Aufmerksamkeit erregt: das Motu Proprio von Franziskus vom letzten Samstag. Damit legt der Papst fest, dass ein Bischof auch dann seines Amtes enthoben werden kann, wenn er seinen Amtspflichten beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch nicht genügend nachgekommen ist. Zittern jetzt überall in der Welt die Bischöfe? Nein, sagt Charles Scicluna. Der 57-Jährige ist Erzbischof auf der Insel Malta und hat sich zugleich jahrelang an der vatikanischen Glaubenskongregation mit kirchlichen Missbrauchsfällen beschäftigt.

„Als Bischof einer kleinen Diözese sehe ich vor allem, dass die Prozedur, die der Papst mit diesem Motu Proprio festlegt, uns auch eine gewisse Sicherheit gibt. Wir werden nicht einfach nur zu großer Wachsamkeit in unserem pastoralen Dienst angehalten, sondern wir bekommen auch die Garantie einer bestimmten Prozedur, wenn es zu Anzeigen wegen Vernachlässigung unserer Amtspflichten kommt. Der Papst will eine Untersuchung - und dass dann auch in der Gemeinschaft Gerechtigkeit einkehrt. Es geht hier also um Verantwortung; gleichzeitig sehen wir, dass der Papst der jeweiligen (christlichen) Gemeinschaft mit ihren Schwierigkeiten sehr, sehr nahe sein will, wenn er feststellt, dass da einige sehr wichtige Dinge nicht respektiert werden.“

Erzbischof Scicluna sieht in dem Motu Proprio des Papstes vor allem einen deutlichen Aufruf zur gemeinsamen Verantwortung der Hirten. Der Bischof von Rom handle hier kollegial. Kinderschutz werde noch einmal ausdrücklich zur gemeinsamen Aufgabe aller Gläubigen erklärt.

„Schon in den ersten Worten des Motu Proprio wird das sehr klar gesagt: Die ganze Kirche hat die Aufgabe, den Schutz der Kinder und Erwachsenen zu gewährleisten! Natürlich ruft das besonders uns Bischöfe in die Verantwortung. Man muss allerdings auch klarer sehen, dass der erste Artikel dieses Motu Proprio gar nicht nur von Vernachlässigung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen spricht; er hat einen viel weiteren Atem und spricht von Vernachlässigung, die anderen einen schweren Schaden zufügen kann. Das kann sich um Menschen handeln, aber auch um eine ganze Gemeinschaft; der Schaden durch die Nachlässigkeit des Bischofs kann also laut Motu Proprio nicht nur physisch sein, sondern auch moralisch, spirituell oder finanziell!“

Sprich: Der Vatikan hat sich für eine Vielzahl möglicher Fälle gewappnet. Allerdings ruft Franziskus im Motu Proprio nicht ausdrücklich dazu auf, dass Bischöfe automatisch Fälle von sexuellem Missbrauch, von denen sie Kenntnis erhalten, zur Anzeige bei den Behörden bringen. Natürlich nicht, sagt Erzbischof Scicluna dazu.

„Der Heilige Stuhl hat immer gesagt, dass man in dieser Hinsicht den örtlichen Gesetzen Folge zu leisten hat! Wenn ein Bischof in einem rechtlichen Umfeld, das ihn zur Anzeige eines Priesters verpflichtet, dem nicht nachkommt, macht er sich eines Unterlassens schuldig, das zum Skandal in der Gemeinschaft führt. Dadurch schwächt er die moralische Autorität, die ein Bischof haben muss, um wirklich Hirte der Gemeinschaft zu sein, oder macht sie gar zunichte.“

Scicluna ist auch jetzt noch für die Glaubenskongregation tätig. Natürlich hat er genau registriert, dass das Motu Proprio nicht speziell seine Kongregation betrifft: Schließlich geht es dem Papst nicht direkt um Missbrauchsfälle, sondern allgemeiner um die Vernachlässigung der Amtspflichten in diesem Bereich. Und da können jeweils ganz verschiedene Kongregationen zuständig sein.

„Man muss beachten, dass das Motu Proprio den Kodex (des Kirchenrechts) mit einigen administrativen, nicht mit Straf-Prozeduren zitiert. Und das gibt dem Heiligen Vater aus meiner Sicht die Möglichkeit, eine angemessene Antwort auf verschiedene Probleme zu geben – nicht nur, wenn es um Schutz von Kindern und Jugendlichen geht, sondern auch in der Frage des Vermögens eines Bistums. Im Kodex gibt es zwar das Vergehen des Amtsmissbrauchs, aber hier handelt es sich um eine objektive Situation, die den Dienst eines Bischofs unwirksam werden lässt. Der Heilige Vater, der schon immer die Möglichkeit hatte, einen Bischof aus schwerwiegenden Gründen seines Amtes zu entheben, schafft jetzt eine Prozedur, die den Bischöfen das Recht auf Verteidigung zugesteht, wenn eine Kongregation Ermittlungen gegen sie durchführt. Und die Prozedur gibt gleichzeitig ein starkes Signal an die (christliche) Gemeinschaft.“

(rv 10.06.2016 sk)








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