2016-06-04 09:08:00

Tagung zu Menschenhandel: „Politik ist Form der Nächstenliebe“


Die Todesstrafe ist unter allen Umständen abzulehnen. Strafe um der Strafe willen ist falsch, es braucht auf jeden Fall eine Offenheit für Hoffnung. Es war ein klares Bekenntnis von Papst Franziskus, mit dem er an diesem Freitagabend auf die Frage von Verbrechen und Gerechtigkeit einging. Und was für Täter gelte, gelte umso mehr für die Opfer, so der Papst - ihnen müsse vor allem die Sorge gelten.

Zwei Tage lang waren in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaftler Richter, Verwaltungsbeamte und Vertreter von Menschenrechtsorganisationen aus der ganzen Welt zusammengekommen und hatten Fragen von Menschenhandel und organisiertem Verbrechen besprochen. An diesem Freitagabend hatte Papst Franziskus selber das Wort ergriffen und seine Wertschätzung für den Einsatz gegen jede Form von Menschenhandel ausgedrückt. Die Kirche wolle sich daran beteiligen, so der Papst. Das bedeute nicht, dass man sich ins politische Alltagsgeschäft einmischen wolle, sondern – Papst Paul VI. zitierend – „die Politik ist eine der höchsten Formen der Liebe, der Nächstenliebe.“ Also sei auch die Kirche berufen, sich zu engagieren.

Neue Formen von Sklaverei, Prostitution, Organhandel, Drogenkriminalität, organisierte Kriminalität: Das seien die „echten und wirklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die als solche von allen religiösen, politischen und sozialen Autoritäten anerkannt werden müssten“, umriss Papst Franziskus die Aufgabe. Und genau hierher gehöre auch die Arbeit der Päpstlichen Akademie; sie sei nicht nur akademischem Denken verpflichtet, sondern solle „im Konkreten verwurzelt sein, andernfalls riskiert sie, sich verflüchtigende Reflexionen anzustellen, die zu nichts führen.“ Idee und Wirklichkeit dürften nicht getrennt sein.

Frei sein

Für die hier versammelten Vertreter von Staat und Gesellschaft, vor allem für Richter, Staatsanwälte und Verwaltungsbeamte, bestehe die Herausforderung darin, frei zu sein. „Frei wovon?“, fragte der Papst. „Frei vom Druck durch Regierungen, frei von privaten Organisationen und natürlich auch frei von den Strukturen der Sünde, wie es mein Vorgänger Johannes Paul II. ausgedrückt hat, frei auch von der organisierten Kriminalität.“ Er wisse um den Druck, der auf ihnen laste, und auch, dass in einigen Teilen der Welt der Einsatz für Gerechtigkeit mit Lebensgefahr verbunden sei. Er wolle ausdrücklich den Mut loben, den es brauche, um sich diesem Druck zu stellen, so Franziskus. Eines der größten Übel in der Welt heute sei die Korruption auf allen Ebenen, „die jede Regierung schwächt, die die Demokratie schwächt und auch die Rechtsprechung“. Es gelte, sich dem entgegenzustellen.

Täter und Opfer

Wenn man „Gerechtigkeit schaffen“ wolle, müsse man auch über Täter und Opfer reden: Dieser Maxime entsprechend ging der Papst auf den Charakter der Strafe ein. Dabei gehe es nicht um das Strafen an sich, sondern „um die Erziehung der Verantwortlichen, so dass sich ihnen die Hoffnung einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zeigt. Das heißt, ohne Hoffnung ist eine Strafe keine wirkliche Strafe. Eine Strafe, die in sich geschlossen ist und nicht die Möglichkeit zu Hoffnung gibt, das ist Folter, keine Strafe!“ Und Papst Franziskus fügte einmal mehr ein klares Bekenntnis der Kirche gegen die Todesstrafe an. Die Zeiten hätten sich gewandelt, auch kirchliche Rechtfertigung von Todesstrafe gelte nicht mehr; es sei an Gott, den Augenblick des Todes zu entscheiden.

Er selber besuche gerne Gefängnisse, schloss Franziskus mit einer persönlichen Note an. Auch zu den Generalaudienzen am Mittwoch auf dem Petersplatz kämen oft Gruppen von Gefängnisinsassen, das alles helfe bei der Wiedereingliederung.

„Und wenn diese delikate Verbindung von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit – die letztlich auf die Wiedereingliederung vorbereitet – für Verbrecher gegen die Menschlichkeit gilt wie für alle“, fuhr der Papst fort, „dann gilt sie umso mehr noch für die Opfer. Opfer, deren innerster und heiligster Teil der Person verraten wurde und die oft genug auf dem Markt für Zwangsarbeit, Prostitution und Organhandel landen.“ Richter seinen heute mehr denn je dazu berufen, die Aufmerksamkeit vor allem auf diese Opfer zu lenken. Fatalistischem Denken, dass es solche Dinge gebe seit Beginn der Welt, dürfe man nicht nachgeben, warb der Papst in seiner Ansprache.

Die Rehabilitation der Opfer und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft sei das größte Gut, das wir ihnen geben können.

Hoffnung geben

„Sie sind alle dazu berufen, beim Herstellen von Gerechtigkeit Hoffnung zu geben“, schloss der Papst seine Gedanken. „Von der Witwe, die Jesus gegenüber auf Gerechtigkeit besteht, wie das Evangelium berichtet, bis zu den Opfern von heute nähren alle ein Streben nach Gerechtigkeit, wie auch die Hoffnung, dass die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht die ganze Wirklichkeit sei, nicht das letzte Wort habe.“

(rv 04.06.2016 ord)








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