2016-06-03 09:39:00

Italien: Kardinal kritisiert EU-Flüchtlingspolitik


Der Mailänder Kardinal Angelo Scola kritisiert die EU-Flüchtlingspolitik. Dass jetzt wieder Tausende von Verzweifelten übers Mittelmeer die unsichere Überfahrt von Afrika nach Europa versuchen, ist für Scola „auch Konsequenz des Misserfolgs der europäischen Politik – ich denke an Deutschland, Österreich und die Nachbarländer“. Das sagte er in einem Interview mit der Tageszeitung „La Repubblica“, das an diesem Freitag veröffentlicht wurde. „Mit der Schließung der Balkanroute machen sie das Problem für uns drückend, ändern aber in der Substanz nichts. Das Ansteigen der Bootsfluchten und die vielen tragischen Todesopfer, vor allem wenn es Kinder sind, sagen uns, dass jede Politik des Widerstands oder der Abschottung nicht akzeptabel ist.“

Der Kardinal, der das größte und eines der traditionsreichsten Bistümer Europas leitet, „würde lieber nicht von Invasion oder Notstand sprechen“. Das Migrationsphänomen sei „ein strukturelles Problem“. Scola hat zwar Verständnis für alle, die jetzt Angst haben: „Die Angst muss man beachten, sie hat oft mit mangelndem Wissen zu tun.“ Nur wenige wüssten etwa, „dass Italien eine Zahl von Flüchtlingen aufnimmt, die um ein Vielfaches unter der Zahl liegt, die Iran, Jordanien, Libanon und die Türkei aufnehmen“. Hier gelte es eben, mehr Wissen zu vermitteln.

Europa müsse im Umgang mit der derzeitigen Herausforderung „von den konkreten Problemen ausgehen“ und sich „wirklich als Union erweisen“, so der Kardinal. Scola ruft „nach einer Art Marshall-Plan“; Italien könne „wegen seiner geographischen Lage und auch, weil es eine gewisse soziale und kulturelle Elastizität hat, eine Führungsrolle übernehmen“. „Unsere zweitausendjährige Geschichte versetzt uns in eine einmalige Ausgangsposition. Geopolitisch gesehen, haben wir die Kraft. Wenn die Politik die Fähigkeit wiedergewinnen würde, das Konkrete mit einem ideellen Angebot zu verbinden, dann könnte man das vielleicht versuchen.“

(repubblica 03.06.2016 sk)








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