2016-05-26 12:47:00

Franziskus erhält Schwimmweste eines vor Lesbos ertrunkenen Kindes


Papst Franziskus hat am Rand der Generalaudienz die Schwimmweste eines in der Ägäis ertrunkenen sechsjährigen Flüchtlingsmädchens aus Syrien erhalten. Überbracht wurde ihm das denkwürdige Mitbringsel aus Lesbos von dem spanischen Seerettungs-Verein „Proactiva Open Arms", der mit Booten vor Lesbos aktiv ist und Flüchtlinge aus dem Meer zieht. „Wir wollten dem Papst ein Stück Wirklichkeit aus Lesbos mitbringen“, erklärt uns Oscar Cams, der Gründer des Vereins, „nämlich diese Rettungsweste für das Mädchen, das wir nicht rechtzeitig aus dem Wasser ziehen konnten. Sie ist mit ihrer Familie ertrunken.“ Der Papst habe die Weste an sich genommen. „Beiliegend war ein Brief mit einer Zusammenfassung von dem, was wir bei unseren Einsätzen dort gesehen haben.“

Papst Franziskus war am 14. April auf Lesbos, um dort festsitzende Flüchtlinge zu besuchen. „Wir sind gekommen, um ihm zu erklären, was heute auf Lesbos geschieht oder eben nicht geschieht. Er soll wissen, dass es im Meer vor der Insel keinerlei staatliche humanitäre Einsätze gibt. Das Schlimmste ist die Unverhältnismäßigkeit, die Geringfügigkeit der Mittel, die Europa einsetzt.“  Der Flüchtlingsretter hält nicht hinter dem Berg mit seiner Ansicht über den Versuch, der Flüchtlingskrise mit dem EU-Türkei-Abkommen beizukommen. „Es ist eine Schande, wie damit umgegangen wird“, sagt er unumwunden.

Oscar Cams ist seit mehr als 20 Jahren professioneller Seenot-Retter. Seinen Verein zur Flüchtlingshilfe in der Ägäis hat er aus einem Impuls heraus gegründet, erzählt die Mitstreiterin Laura Lanuza.

„Pro Activa open arms ist entstanden aus einem Gefühl der Ohnmacht: im Mittelmeer ertranken Kinder ganz nah beim Strand, und da war keiner, sie zu retten. Oscar war fassungslos. Und da stand er auf von seinem Sofa in Spanien, suchte unter seinen Kollegen ein Team von Freiwilligen zusammen und fuhr mit seinen Ersparnissen von 15.000 Euro nach Lesbos, um zu helfen. Am 16. September kamen sie an. Sie wollten einen Monat bleiben. Schon nach zehn Minuten am Strand war Oscars erster Einsatz. Was wir dort sahen, war weitaus schlimmer, als es über die Medien rübergekommen war. Die ganze Krise wurde ausschließlich von Freiwilligen gemanagt, die halfen, aber keiner von ihnen im Wasser. Wenn jemandem etwas im Wasser passierte, dann blieb der im Wasser.“

Die Spanier versuchten es mit Crowdfunding. Erfolgreich: Viele private Klein- und Kleinstspender im Internet sahen einen Sinn darin, ertrinkende Flüchtlinge aus dem Meer zu retten. Schon bald setzte das Herbstwetter ein, und die Leute von „Proactiva Open Arms" merkten, dass sie nicht wegkonnten, weil weiterhin Verzweifelte übers Meer kamen. Mit den Spenden waren sie in der Lage, drei Boote und ein Motorboot zu kaufen. Derzeit zehn Freiwillige der spanischen Flüchtlingsrettung sind auf Lesbos stationiert, erzählt Laura Lanuza, alle hochspezialisiert, etwa jene Kollegen aus Galizien, die Seenotrettung mit dem Hubschrauber gelernt haben. Jeder von ihnen bleibt rund zwei Wochen.

„Der körperliche Einsatz ist total. Jederzeit kann ein Notfall sein, 24 Stunden am Tag. Und es ist emotional sehr belastend. Jeder Mensch in so einem Boot ist ein Drama. Viele Kinder, viele Frauen. Am schlimmsten ist es, wenn Kinder dabei sind. Oder wenn die Familie irgendwie auseinandergerissen wurde, weil sie nicht genug Geld hatte, die Schlepper zu zahlen. Der Vater bleibt in der Türkei, die Mutter und das Baby gehen aufs Boot. Jeder Mensch in so einem Boot ist ein Drama.“

(rv 26.05.2016 gs)

  








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