2016-05-22 15:26:00

Vatikan/Ägypten: Vor der Wiederaufnahme des Dialogs?


Die islamische Welt erlebt heute ihre vielleicht tiefste Krise der vergangenen Jahrzehnte. Vor diesem Hintergrund ist das Treffen von Papst Franziskus mit dem ägyptischen Großscheich und Imam der Kairoer Al-Azhar-Universität morgen, Montag, von großer Bedeutung. Das sagte im Gespräch mit Radio Vatikan der ägyptische Jesuitenpater Samir Khalil Samir, Dozent für Islamwissenschaft am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom.

Der Islam erlebe heute „eine echten inneren Zusammenprall, der von der Ideologie des sogenannten Islamischen Staates ausgelöst wird“; erklärte Samir. Diese Ideologie der Gewalt sei „inakzeptabel und tut der muslimischen Welt unrecht. Genau deshalb ist es sehr hilfreich, heute die muslimische Welt zu unterstützen. Es hat keinen Sinn, sie zu bekämpfen, viel eher muss man ihr beistehen und die eigene Erfahrung anbieten. Schließlich haben wir in der katholischen Kirche ähnliche Probleme erfahren.“

Vor fünf Jahren hatte die Al-Azhar-Universität den Dialog mit dem Heiligen Stuhl abgebrochen, unter einem Vorwand, wie Pater Samir anmerkt. „Während des Pontifikats von Benedikt XVI. waren die Beziehungen heikel, denn der Konflikt entstand unter dem Verweis auf einige seiner Worte, die in Wirklichkeit aber gegen niemanden gerichtet waren, sondern die Religionsfreiheit verteidigten.“ Bei einem Angelusgebet hatte Benedikt die Terrorattacke auf eine koptische Kirche in Alexandria als „feige Geste des Todes“ beklagt. Die nun bevorstehende Begegnung zwischen Franziskus und dem Imam Ahmed Al-Tayyeb könnte eine Wiederaufnahme des Dialogs bedeuten - und das wäre sehr wünschenswert, betont Samir.

Die Kernfrage neu anknüpfender Gespräche müsste die Interpretation des Koran sein, sagte der ägyptische Islamgelehrte. „Eine wörtliche Interpretation gerade der Stellen, die über Gewalt sprechen, ist heute unmöglich. Die Universität al-Azhar lehnt eine wörtliche Koranauslegung komplett ab.“ Allerdings beriefen sich die Ideologen des „Islamischen Staates“ auf Imame und Rechtsgutachten, die solche wörtlichen Interpretationen nicht ausdrücklich ablehnten.  

Al Azhar ist die größte Ausbildungsstätte sunnitischer Imame, mehrere Tausend Absolventen gehen pro Jahr daraus hervor. Papst Franziskus hatte eine Einladung an den Imam in Kairo überbringen lassen. Ein bereits geplantes Treffen vor einigen Wochen war nicht zustande gekommen.

 (rv 22.05.2016 gs)








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