2016-05-19 00:00:00

Mit dem Taxi durch Syrien


Mit dem Taxi durch Syrien? Klingt lebensgefährlich, angesichts von Terror und Krieg im Land. Die Nahost-Korrespondentin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), Andrea Krogmann, hat es dennoch gewagt. Mit Taxi und Bus fuhr sie eine Woche lang durch Syrien und besuchte Christen in Damaskus und Homs. Was sie bei der Bevölkerung vorfand, waren Schmerz und Ratlosigkeit. Wir unterhielten uns nach ihrer Rückkehr mit ihr.

Krogmann: „Ich bin mit einem privaten Taxi unterwegs gewesen, der Fahrer war ein Christ aus Damaskus. Von Damaskus aus bin ich mit einem anderen Christen gefahren, dieses Mal war es ein Soldat. Mit ihm fuhr ich bis nach Homs und noch ein Stück weiter in ein christliches Dorf namens Zaidal. Auf dem Rückweg habe ich mich dann zum Teil mit Bus und mit Taxi fortbewegt. Aus Sicherheitsgründen ist es besser, wenn man den Fahrer kennt.“

RV: Hattest du trotz allem nicht auch ein bisschen Angst?

Krogmann: „Anfangs habe ich mir diese Frage schon gestellt, auch mein Fahrer hat mich das gefragt. Ich wusste es anfangs gar nicht so recht. Natürlich gab es unterwegs sehr viele Checkpoints und Militärabsperrungen, wo Papiere kontrolliert werden oder mal in den Kofferraum geschaut wird. Es ist immer eine Anspannung dabei, das merkte ich abends vor allem immer an meiner starken Müdigkeit. Der Körper ist eben den ganzen Tag über in Alarmbereitschaft. Auch wenn die Lage für einen Außenstehenden eher ruhig aussieht.“

RV: Hast du auch Gefechte mitbekommen? Schießereien, Bombenangriffe oder Ähnliches?

Man sieht in Damaskus überhaupt keine Ausländer mehr

Krogmann: „Mit Damaskus und Homs war ich ausschließlich in von der syrischen Regierung kontrolliertem Gebiet. In der Nacht gab es immer mal wieder Kampfhandlungen in der Nähe zu hören. Man hörte Explosionen oder Schüsse. Aber nicht in einem Ausmaß, dass man sagen könnte, man würde das direkt mitbekommen. Am Straßenrand kam es immer mal wieder zu Gerangel mit Militär und Personen am Straßenrand. Von außen konnte man jetzt nicht sehen, um was es sich handelt. Aber direkte Angriffe hat es in diesem Gebiet nicht gegeben. Wohl aber sind in der Zeit, als ich in Damaskus war, Massaker verübt worden – weiter im Norden in der Region um Hama. Damaskus selbst war sehr ruhig in der Zeit.“

RV: Du warst ja schon einmal vor acht Jahren in Syrien und Damaskus. Wie zeigt sich der Krieg dort mittlerweile?

Krogmann: „Damaskus selbst, also die Altstadt, das, was man als Tourist normalerweise besucht, ist unversehrt geblieben. Wenn man an die Stadtränder fährt, sieht man die Kampfhandlungen. Die Kampfzonen sind relativ nah an Damaskus dran. Ich habe unter anderem mit christlichen Familien gesprochen, die in der Verteidigung von Damaskus Söhne oder Ehemänner verloren haben. In Damaskus selber sieht man das nicht, und für jemanden, der Damaskus mal als Tourist besucht hat, sind die Unterschiede nicht so spürbar. Natürlich ist die Stimmung anders. Man sieht auch überhaupt keine Ausländer mehr. In einer ganzen Woche in Syrien habe ich zwei Ausländer getroffen und einen ausländischen Hilfsarbeiter. Also, für ein Land, das mal sehr viel Tourismus hatte und auch davon gelebt hat, merkt man schon den Unterschied. Und das spürt man auch im Umgang mit den Leuten, die sich freuen, auch mal jemanden aus dem Ausland zu sehen!“

RV: Was hast du dort für Menschen getroffen? Welche Begegnungen blieben dir besonders im Gedächtnis?

Krogmann: „Mein erstes Interesse galt den Christen in Damaskus in verschiedenen Gemeinschaften, die jetzt ins sechste Kriegsjahr gehen und diese Situation tagtäglich aushalten müssen – als Minderheit. Ich habe Priester besucht, Bischöfe und Erzbischöfe, Ordensleute und Gemeindemitglieder. Ich habe in Damaskus aber auch mit vielen Leuten auf der Straße gesprochen, mit Händlern und Verkäufern. Von daher habe ich einen Eindruck bekommen können, wie die Bevölkerung von Damaskus die Situation wahrnimmt. Und da merkt man schon einen großen Schmerz über das, was in dieser Stadt vor sich geht, die eigentlich über lange Zeit davon gelebt hat, dass sie so bunt ist und so ein gutes Miteinander aufweist. Und jetzt, in dieser Kriegssituation, wird dieses Misstrauen spürbar. Und der Schmerz darüber, dass es nicht mehr wird, wie es mal war.“

RV: Wie haben die Damaszener darauf reagiert, dass du Deutsche bist? War die Flüchtlingspolitik in Deutschland für sie ein Thema, oder waren sie eher mit sich beschäftigt?

Krogmann: „Es ist ein sehr großes Thema! Das Erste, was mir die Leute gesagt haben, war, wie viele ihrer Leute schon in Deutschland leben. Oder dass sie wünschen, sie könnten nach Deutschland gehen, oder dass sie demnächst gehen werden. Ich habe eine Familie getroffen, die kurz vor der Ausreise nach Deutschland steht. Ich wurde von mehreren Leuten angesprochen, die wegen ihrer Familien zwischen Syrien und Deutschland pendeln und die mich fragten, ob man diese oder jene Medikamente in Deutschland kaufen kann. Die einfach Fragen zum alltäglichen Leben hatten. Auf der anderen Seite sagen die Leute, dass sie Deutschland ganz toll finden, wie es mit der Krise umgeht, und dass sie sich wünschen, dass Angela Merkel stark bleibt bei ihrem Kurs. Da ist sehr viel Hochachtung und der große Wunsch vieler Leute, nach Deutschland zu gehen.“

Es ist nach wie vor ein wunderbares Land

RV: Was ist dein Fazit von deiner Syrien-Reise? Was bleibt als Eindruck? Wie hat sich deine Sicht auf diesen Krieg verändert?

Krogmann: „Ich habe den Eindruck, es ist schwer von außen nachvollziehbar. Der Eindruck, den man hat, wenn man aus diesem Land wiederkommt, ist gänzlich anders als das, was man von außen erwarten würde. Zum Beispiel die einfache Tatsache, dass es eine Art Alltagsleben gibt, dass Restaurants geöffnet haben, Menschen auf den Straßen sind und ihr Leben führen, wenn auch nicht gesagt ist, dass jeder sich alles leisten kann, und man natürlich auch Armut und Essensspenden sieht. Ein zweiter Eindruck, den ich habe, ist, dass die Syrer eine enorme Stärke haben, mit so einer schwierigen Situation umzugehen und sich anzupassen. Und das Beste aus der Situation zu machen. Das hat mich sehr beeindruckt.

Ein Eindruck, den ich vorher schon hatte und der sich nicht geändert hat, ist, dass es einfach ein sehr offenes und gastfreundliches Volk ist. Viel stärker als in den anderen arabischen Nachbarländern. Und das in einer Situation, in der man meinen könnte, es wäre schwierig für die Menschen, noch zu teilen. Aber nein, es wird auch da gerne und von Herzen geteilt. Es ist nach wie vor ein wunderbares Land, aber die Situation ist wirklich dramatisch. Man sieht diesen Menschen den Schmerz an, dieses Land vor die Hunde gehen zu sehen. Ein Land, in dem die Christen zumindest sagen: ‚Es ging uns gut, wir hatten alles, es ist ein offenes, reiches Land gewesen. Wir haben unser Leben hier geliebt und unser Land geliebt.‘ Und dann zu sehen, was aus diesem Land wird und was aus ihrer Perspektive mit diesem Land gemacht wird für ausländische Interessen, es ist noch nicht mal ein interner Konflikt.

Und ein trauriger Eindruck ist, dass niemand eigentlich diesen Krieg zu verstehen scheint und schon gar nicht irgendeine Idee hat, wohin dieses Land geht und wie eine Lösung aussehen könnte. Wen immer man fragt: Man bekommt ratlose Gesichter zu sehen.“

(rv 19.05.2016 cz) 








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