2016-05-16 14:07:00

Nigeria: „Für einen Selbstmordanschlag braucht es nicht viel“


Nigeria soll mehr internationale Unterstützung gegen Terror bekommen. Darauf einigten sich am Wochenende Vertreter der USA, der EU-Länder sowie der Nachbarstaaten Nigerias in Abuja. Großbritannien will unter anderem die Ausbildung von Soldaten mitfinanzieren. Frankreichs Präsident Hollande kündigte an, mehr Geheimdienstinformationen mit der nigerianischen Führung zu teilen. Radio Vatikan sprach mit dem französischen Politologen Michel Galy über die aktuellen Herausforderungen im Kampf gegen den Terror in Nigeria.

Mehr als 20.000 Menschen sollen bei Anschlägen von Boko Haram bisher ums Leben gekommen sein, Hunderte Menschen wurden entführt, über zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Islamisten greifen auch die Nachbarstaaten an. Zwar konnte eine internationale Militärallianz aus afrikanischen Staaten die Terroristen in den vergangenen Monaten stellenweise zurückdrängen und vermeldet vereinzelt Erfolge in der Befreiung von Geiseln. Doch regelmäßig verüben die Terroristen weiterhin Selbstmordanschläge, weiß der Politologe Michel Galy.

„Ihre Hauptbasis haben die Terroristen im nordnigerianischen Bundesstaat Borno. Es sind aber auch eine gewisse Internationalisierung und eine ausgeklügeltere Kommunikation der Organisation zu beobachten, denn sie arbeitet zunehmend auch mit dem Islamischen Staat zusammen. Sicher konnten die Militärangriffe der vergangenen Monate die Milizen stellenweise schwächen und zurückdrängen. Andererseits braucht man für Selbstmordanschläge auch nicht viele Mittel.“

Auch die Wirtschaft des Landes leide unter dem Terror, insbesondere in den Grenzgebieten, wo die Islamisten Schmuggel betrieben. Die Wirtschaft sei jedoch nicht das einzige Problem: „Viele junge Nigerianer – und auch Nigerianerinnen, zum Teil Kinder – sprengen sich auf Märkten und öffentlichen Plätzen im Tschad, Nigeria und Kamerun in die Luft. Es wird auch zu einem religiösen Problem,“ so der Experte.

Zwar geht Galy im Moment nicht von einer Expansion der Terrororganisation IS in Nigeria aus. Doch das Land sei auch schon dem Kampf gegen Boko Haram allein militärisch nicht gewachsen. Die nigerianische Armee sei zu schwach und oft auch korrupt. „Sie ist nicht ausreichend gewappnet, Krieg auf diesem Terrain zu führen. Es fällt ihr sehr schwer, die Absichtserklärungen des Präsidenten auch umzusetzen. Und das, obwohl Nigeria eines der reichsten Länder Subsaharas ist. Der neue Präsident Muhammadu Buhari hört es auch nicht gern, wenn man nach einem massiven Ausbau internationaler Hilfe aus dem Westen und den alten Kolonialmächten ruft.“

Dass die nigerianische Armee nicht automatisch zu den Guten gehört, zeigen Berichte von Menschenrechtlern. Sie werfen der Armee und Sicherheitsdiensten schwere Menschenrechtsverletzungen und Willkür im Umgang mit Gefangenen vor. Mindestens 20.000 Menschen, vor allem Jungen und junge Männer, säßen willkürlich in Gefängnissen. 7.000 sollen während der Haft gestorben sein.

Frankreich ist nach wie vor nicht aktiv am Kampf gegen Boko Haram beteiligt – trotz starker militärischer Präsenz in der Region mit Militärbasen in Gabun und der Zentralafrikanischen Republik. Und die afrikanischen Militärallianzen verlören sich oft in Nationalismen, was die Kooperation insbesondere zwischen anglophonen und frankophonen Ländern erschwere, gibt der Experte in unserem Interview zu bedenken.

(rv 16.05.2016 cz)








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