2016-05-14 13:44:00

Erfolgreiche Eltern, leichterer Bildungsweg


„Es ist tatsächlich so, dass in Deutschland der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Schulerfolg stärker ausgeprägt ist als in vielen anderen Industrieländern.“ – Rudi Tarneden, UNICEF

Obwohl Bildung in Deutschland theoretisch für alle gleich zugänglich ist, haben es Kinder aus einkommensschwachen Familien schwerer erfolgreich zu sein als Kinder aus Akademikerfamilien. Katja Urbatsch hat das am eigenen Leib erfahren müssen, vor allem nach ihrem Entschluss, als erste in ihrer Familie zu studieren. „Ich habe das gemerkt, als ich darüber gesprochen habe in meiner Familie und viele das eben nicht verstanden und gesagt haben: ‚Mach doch erst einmal eine Ausbildung.’ Ich hatte eben keine Unterstützung aus meiner Familie. Meine Eltern haben zwar gesagt, mach das, wenn du das möchtest, aber sie konnten mich nicht wirklich unterstützen und wussten nicht, wie das geht. Ich war komplett auf mich alleine gestellt.“

Allein ging sie nach Berlin zum Studieren und erlebte einen regelrechten Kulturschock. Sie merkte, dass sie aus einer anderen Welt kam. Die Eltern ihrer neuen Freunde waren begeistert, dass ihre Kinder studieren, halfen bei den Hausarbeiten und diskutierten über Seminarinhalte. Für Urbatsch war gerade im ersten Semester klar, dass sie einen anderen Bildungshintergrund hatte als viele ihrer Kommilitonen: „Die haben einen anderen Wortschatz gehabt als ich. Häufig saß ich in Seminaren und dachte, ich wäre zu dumm, ich hätte nicht die gleiche Sprache. Bin ich überhaupt intelligent genug, kann ich das schaffen, gehöre ich hier überhaupt hin? Auch wenn ich dann zu Besuch bei Freunden war, habe ich auch gemerkt, dass die Mittags über politische Themen diskutieren und das war bei meiner Familie nicht unbedingt der Fall.“

Um diese Unterschiede auszugleichen, hat sich Katja Urbatsch alles ausgedruckt, was es an Informationen gab, hat immer wieder um Hilfe gebeten. Am Ende kannte sie die Studienordnung besser als ihre Kommilitonen. Und nach paar Semestern wurde aus der Nichtakademikerin eine Expertin und eine Beraterin mit einem guten Netzwerk für ihre Kommilitonen.

Aus ihren eigenen Erfahrungen heraus, aus dem selbst aufgebauten Netzwerk, hat Urbatsch die Idee von arbeiterkind.de entwickelt. Seit 2009 engagieren sich nun über 6.000 Ehrenamtliche für dieses Netzwerk, um Schüler zu ermutigen, die ersten Akademiker in ihren Familien zu werden. „Wir gehen zum Beispiel in die Schulen und machen dort Informationsveranstaltungen, sie erzählen ihre Geschichte, dass sie als erste ihrer Familie studieren. Sie machen Mut zum Studium und geben Informationen weiter. Dann machen sie auch Sprechstunden, offene Treffen oder aber auch ein Infotelefon. Wir sind über verschiedene Kanäle erreichbar. Wir wollen einfach Schülern, Studenten und auch Eltern helfen auf diesem Weg.“

Doch nur mit Sprechstunden und Infoveranstaltungen in Schulen ist es nicht getan. Arbeiterkind.de ist auch im Laufe des Studiums dabei, denn es gibt immer wieder Situationen, in denen Akademiker-Kinder auf ihr Elternhaus zurückgreifen können, Nicht-Akademiker-Kinder eher weniger. „Es gibt natürlich auch Situationen im Studium, wo es nicht so gut läuft, wo man durch eine Klausur gefallen ist und wo man dann zu Hause vielleicht wieder hört: ‚Dann ist ein Studium doch nicht das Richtige für dich, vielleicht solltest du doch eine Ausbildung machen.‘ Wo es in akademischen Haushalten eher heißt: ‚Ach ja, ist uns allen mal passiert. Machst du einfach noch mal.‘ Da schafft arbeiterkind.de eben einen Ausgleich und ermutigt, weiterzugehen, auch wenn es mal schwierig ist.“

Und wenn das Studium geschafft ist, hilft arbeiterkind.de, auch diesen Übergang zu schaffen, auch ohne elterliches Netzwerk, wie Urbatsch beschreibt, um ein wenig Chancengleichheit in Sachen Bildung herzustellen. Nächstes Jahr veröffentlicht der Bund wahrscheinlich neue Zahlen, wie viele Nicht-Akademiker-Kinder studiert haben. Vielleicht hat arbeiterkind.de dafür gesorgt, dass die Zahl zugenommen hat. Bisher sieht Urbatsch den Erfolg mehr bei Einzelfällen als bundesweit.

(rv 15.05.2016 pdy)








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