2016-04-01 08:25:00

Irak: Internationale Streitkräfte zur Friedenssicherung nötig


Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) lässt sich militärisch relativ leicht besiegen und aus dem Irak vertreiben, doch damit ist eine positive Zukunft des Landes noch lange nicht gesichert. Das hat der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael Sako im „Kathpress"-Interview vor Ort betont. Rund 120.000 Christen mussten 2014 im Nordirak vor der Terrormiliz IS aus Mosul und der angrenzenden Ninive-Ebene fliehen. Der Großteil davon hat sich in die nahegelegene sichere kurdische Autonomieregion gerettet, und wartet dort nach wie vor ab. „Wenn sie erfahren, dass Mosul und die Ninive-Ebene befreit sind, dann werden die Menschen zurückkehren. Vielleicht nicht alle, denn einige haben bereits hier in Erbil Häuser gekauft, oder haben Arbeit gefunden. In Mosul ist es hart, denn es besteht kein Vertrauen mehr zwischen Nachbarn."

Der IS habe sich nur deshalb so rasch im Irak etablieren können, weil der fundamentalistische und extremistische muslimische Nährboden schon lange vorher gelegt worden war. Nicht nur die IS-Kämpfer, sondern vor allem auch die früheren muslimischen Nachbarn der Christen hätten sich 2014 vielfach an deren Vertreibung beteiligt und deren Häuser geplündert. Dieses verlorene Vertrauen wieder aufzubauen, werde lange dauern, räumte der Patriarch ein. „Es könnte eine Lösung sein, wenn es eine Präsenz von internationalen Streitkräften zum Schutz für die Christen gäbe. Das könnte viele von ihnen dazu ermuntern, zurück nach Hause zu gehen. Doch momentan denken sie vielleicht darüber nach, zurück zu gehen und ihre Besitztümer dort zu verkaufen und wieder hierher zu kommen oder woanders ihr Glück zu versuchen.“

Mentalitätswandel nötig
Der fundamentalistische muslimische Nährboden lasse sich militärisch nicht besiegen, sondern müsse langsam durch Bildungsmaßnahmen überwunden werden, so Sako. Die Änderung dieser Mentalität sei freilich zuallererst Aufgabe der Muslime selbst. Kurzfristig brauche es deshalb militärischen Schutz für die Christen in der Ninive-Ebene. Das könne nur eine internationale militärische Streitmacht garantieren, denn der Irak sei ein gespaltenes Land: „Es besteht die Gefahr von Racheakten, denn das ist die Mentalität hier im Nahen Osten. Wir leben in gewisser Weise vor der Gründung eines Staates, so kann es passieren, dass Menschen ihr Recht nicht in Prozessen vor Gericht suchen, sondern selbst hingehen und Rache für erlittenes Unrecht üben werden. Unsere Christen sind darüber sehr besorgt.“

Die einzige Chance für eine positive Zukunft des Irak liege in der strikten Trennung von Religion und Staat, zeigte sich das chaldäische Kirchenoberhaupt überzeugt. Im Irak müsse sich eine neue „Kultur und Mentalität der Staatsangehörigkeit“ herausbilden: „Wir brauchen eine zivile Regierung, die den Fokus auf die Staatsbürgerschaft legt und nicht auf die Religionszugehörigkeit. Und das ist hier im Nahen Osten wirklich sehr schwierig.“

Hoffnungszeichen gegen das Vergessen

Mit dem Besuch von Kardinal Schönborn zeigte sich der chaldäische Patriarch sehr zufrieden. Er begleitete den Kardinal bei seinem Besuch in Erbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Norden des Irak. „Was wir uns erwarten, ist Solidarität und Nähe. Denn was wir hier wirklich brauchen, ist das Gefühl, dass wir nicht vergessen und isoliert sind. Wir müssen die spirituelle und moralische Gemeinschaft mit den anderen Christen fühlen. Das brauchen wir noch nötiger als Geld oder materielle Hilfe!“

Vor dem Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten und dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 lebten im Irak noch bis zu 1,4 Millionen Christen, jetzt sind es im gesamten Land nicht einmal mehr 300.000. Die Christen gehören verschiedenen Konfessionen an, wobei die größten davon die chaldäisch-katholische, syrisch-katholische, syrisch-orthodoxe, assyrische, armenisch-apostolische und armenisch-katholische Kirche sind.

(kap 01.04.2016 cs)








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