2016-03-25 17:51:00

Via Crucis: „Jesus verleiht dem Leid Sinn“


Papst Franziskus hat beim Kreuzweg in Rom jede Form von Extremismus angeprangert. Auch ging er auf die blutigen Terrorakte sowie die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden von Flüchtlingen ein. Der Papst verfolgte am Karfreitag Abend zusammen mit Zehntausenden Gläubigen die stimmungsvolle Prozession am Kolosseum, mit der an die Leidensstationen Jesu erinnert wird. Wenige Tage nach dem blutigen Terror von Brüssel war das Gebiet um das antike Amphitheater weiträumig abgesperrt worden.

Jesus Christus verleiht dem Leid der Menschen durch seinen Tod am Kreuz Sinn. In der dritten Meditation des Kreuzweges am Kolosseum an diesem Karfreitag unter Vorsitz von Papst Franziskus wurde an die von vielen Menschen empfundene Sinnlosigkeit von Leid erinnert. Als Beispiele wurden Flucht, zerrüttete und getrennte Familien, Kindesmissbrauch aber auch die Ermordung von Juden im Zweiten Weltkrieg angeführt: „Wo ist Gott in den Vernichtungslagern? Wo ist Gott in den Bergwerken und Fabriken, in denen Kinder als Sklaven arbeiten? Wo ist Gott auf den abgetakelten Kähnen, die im Mittelmeer untergehen?” Jesus falle unter der Last des Kreuzes, aber er bleibe nicht erdrückt. Christus sei Verworfener unter den Verworfenen, Letzter mit den Letzten, Schiffbrüchiger unter den Schiffbrüchigen.

Das Thema Flüchtlingskrise in Europa zog sich durch den gesamten Kreuzweg, es war das Thema der diesjährigen Karwoche. Begonnen hatte es bereits am Gründonnerstag mit der Fußwaschung von Papst Franziskus für Flüchtlinge in Castelnuovo di Porto. Dort hatte er geflüchteten Frauen sowie Muslimen die Füße gewaschen. Als Ansprache am Ende des Kreuzwegs las er ein selbstgeschriebenes Gebet, in dem er unter anderem auf die aktuellen Krisen einging - auch auf die Flüchtlingskrise:

„O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch auf dem Mittelmeer und in der Ägäis, die zu einem unersättlichen Friedhof geworden sind, ein Bild unseres abgestumpften und betäubten Gewissens.“ Auch die vielen Ehrenamtlichen, die den Flüchtlingen in dieser Zeit zu Hilfe kämen, trügen das Kreuz Christi.

Vor tausenden Teilnehmern am Kolosseum, das als Symbol für getötete Märtyrer des frühen Christentums steht, spricht er auch deutlich religiöse Gewalt an. Unter dem Eindruck der Terroranschläge am Dienstag in Brüssel betonte der Papst: „O Kreuz Christi, wir sehen dich auch heute noch in den Fundamentalismen und im Terrorismus von Anhängern mancher Religionen, die den Namen Gottes schänden und ihn dazu benutzen, ihre unerhörte Gewalt zu rechtfertigen.“

Ohne den Islamismus und die Terrormiliz „Islamischer Staat“ namentlich zu nennen, geißelte er in deutlichen Anspielungen deren Verbrechen gegen Christen. So stehe das Kreuz Jesu auch für unsere Schwestern und Brüder, die getötet werden: „O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich aufgerichtet in unseren Schwestern und Brüdern, die getötet werden, lebendig verbrannt werden, denen die Kehlen durchgeschnitten werden und die geköpft werden mit barbarischen Schwertern und mit dem feigen Stillschweigen.“ Ebenso wandte er sich gegen Menschen, die von Waffenhandel und Korruption profitierten oder die Schöpfung ohne Rücksicht auf künftige Generationen ausbeuteten.

Die vierzehn Meditationen des Kreuzwegs wurden in diesem Jahr vom Erzbischof von Perugia, Kardinal Gualtiero Bassetti verfasst. In der Einführung schrieb Bassetti, dass das außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit die Gläubigen mit einer besonderen Kraft zum Kreuzweg ziehe, der Kraft der Barmherzigkeit des himmlischen Vaters. „Die Barmherzigkeit ist der Kanal der Gnade, der von Gott zu allen Männern und Frauen kommt, die allzu oft verirrt und verwirrt, materialistisch und götzendienerisch, arm und einsam sind. Glieder einer Gesellschaft, die sich der Sünde und der Wahrheit offenbar entledigt hat.“ Der Kreuzweg wurde in diesem Jahr, anders als die Jahre zuvor, nur auf Italienisch abgehalten und dauert demnach nur knapp anderthalb Stunden.

Das Kreuz bei den einzelnen Stationen trugen Familien aus Italien, Lateinamerika, den USA und Syrien sowie behinderte Menschen und Heilig-Land-Brüder. Damit sollte einerseits an die Reisen des Heiligen Vaters etwa nach Mexiko, Uganda oder Paraguay erinnert werden, aber auch an das kriegsgeschundene Syrien und die spirituelle Einheit mit dem Heiligen Land.

Auch die Meditationen handelten vom Leid der Geflüchteten: „Wie können wir nicht das Gesicht des Herrn sehen in den Gesichtern von Millionen von Vertriebenen, Flüchtlingen und Evakuierten, die verzweifelt vor dem Schrecken der Kriege, der Verfolgungen und der Diktaturen fliehen?“

Wie Jesus bei seinem Kreuzweg fielen auch heute viele Männer und Frauen zu Boden, sei es durch zerbrochene Familien, Arbeitslosigkeit oder weil sie die Hoffnung auf die Zukunft verloren hätten. Schlussendlich sterbe Jesus am Kreuz, doch sei das nicht der Tod Gottes, sondern höchste Feier des Zeugnisses des Glaubens. Insbesondere die Märtyrer brächten ein „unermessliches Licht“ des Glaubens zum Ausdruck. Johannes Paul II. hatte im Heiligen Jahr 2000 bereits am Kolosseum an die Märtyrer des 20. Jahrhunderts erinnert, bei diesem Kreuzweg kamen nun auch die Märtyrer des 21. Jahrhunderts hinzu, etwa Maximilian Kolbe und Edith Stein. Auch heute noch werde der Leib Christi in vielen Regionen der Welt gekreuzigt. „Die Märtyrer des 21. Jahrhunderts sind die wahren Apostel der gegenwärtigen Welt.“

Der Kreuzweg in diesem Jahr erinnerte auch an die zahlreichen Missbrauchsopfer – auch durch die katholische Kirche. Der Leib Christi berge in sich den unermesslichen Schmerz der Menschheit und erzähle von all ihren Wunden. „Vor allem von den schmerzlichsten: die Wunden der in ihrer Intimität geschändeten Kinder. Dieser stumme und blutende, gegeißelte und erniedrigte Leib weist den Weg der Gerechtigkeit – der Gerechtigkeit Gottes, die das grausamste Leid in das Licht der Auferstehung verwandelt.“ Das Kreuz Christi stehe aber nicht nur für menschliche Ungerechtigkeit, sondern auch für die göttliche Liebe, so der Papst.

Der Kreuzweg am Kolosseum, einer der stimmungsvollsten Momenten der Osterfeierlichkeiten in Rom, fand in diesem Jahr unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Um an der Feier teilnehmen zu können, mussten die Gläubigen zwei Kontrollzonen passieren. Nach Behördenangaben waren neben einem hohen Aufgebot von Beamten in Zivil auch Sprengstoffspezialisten und Spürhunde im Einsatz.

(rv 25.03.2016 cz)








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