2016-03-24 07:58:00

Chrisam-Messe: Zu viel Barmherzigkeit ist gerade gut genug


Mit der Barmherzigkeit kann man es gar nicht übertreiben. Das war die Botschaft von Papst Franziskus bei der Feier der Chrisam-Messe an diesem Gründonnerstag-Morgen im Petersdom. Wie in jedem Jahr versammelte der Erzbischof von Rom seine Priester um sich, um in einer Messfeier die Öle zu weihen, die im kommenden Jahr für Sakramente und andere liturgische Akte gebraucht werden.

In seiner Predigt begann der Papst seine Gedanken bei einem Widerspruch im Verhalten der Menschen, die auf Jesu Predigt hören. „Als nach der Lektüre einer Prophetie des Jesaja aus dem Munde Jesu die Worte zu hören waren: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk 4,21), hätte in der Synagoge von Nazareth eigentlich ein Beifall losbrechen müssen“. Das Gegenteil sei der Fall gewesen, die Evangelien berichten davon, dass seine Landsleute ihn wegtrieben, „sie verschlossen ihr Herz“, so der Papst, und gerieten schließlich in Wut. Jesus scheitert in diesem Augenblick an den Sicherheiten und den Zäunen, welche die Menschen um sich errichtet haben.

Aber Jesus durchbreche das, so Papst Franziskus. „Wenn er Umzäunungen niederreißt und Sicherheiten zur Diskussion stellt, dann tut er das, um eine Bresche zu öffnen für den Strom der Barmherzigkeit, den er gemeinsam mit dem Vater und dem Heiligen Geist auf die Erde gießen möchte. Eine Barmherzigkeit, die vom Guten zum Besseren fortschreitet, die etwas Neues verkündet und bringt, die heilt, befreit und ein Gnadenjahr des Herrn ausruft.“ Das Gnadenjahr des Herrn, das ist genau die Prophetie, welche die Menschen in der Synagoge aus dem Mund Jesu gehört hatten und auf die sie so allergisch reagierten.

Dynamik der Barmherzigkeit

Dieses Gnadenjahr, diese Barmherzigkeit durchbricht aber nicht nur Grenzen und Sicherheiten, sie ist auch noch dynamisch, sie macht weitere Schritte, so Papst Franziskus: „Die Barmherzigkeit unseres Gottes ist grenzenlos und unsagbar erhaben. Und die Dynamik dieses Geheimnisses drücken wir aus als eine „immer noch größere“ Barmherzigkeit, als eine Barmherzigkeit auf dem Weg, eine Barmherzigkeit, die jeden Tag nach der Möglichkeit sucht, einen Schritt voranzukommen, einen kleinen Schritt durch das Niemandsland dorthin, wo Gleichgültigkeit und Gewalt herrschten.“ Als Beispiel diente dem Papst einmal mehr der barmherzige Samariter, genau hier zeige sich die „Dynamik der Barmherzigkeit“.

„Als Priester sind wir Zeugen und Ausspender dieser immer noch größeren Barmherzigkeit unseres Vaters“, griff der Papst den Anlass der Messfeier auf. „Wir können dazu beitragen, (die Barmherzigkeit) zu „inkulturieren“, damit jeder Mensch sie in seinem eigenen Leben empfängt und persönlich erfährt, so dass er sie verstehen und kreativ so in die Praxis umsetzen kann.“ Das Maß der Barmherzigkeit sei das Übermaß. Weil Gott lieber verschwende als zu kurz kommen lasse, bräuchten die Spender der Barmherzigkeit keine Angst zu haben, zu viel zu geben.

Die ursprüngliche Würde

Der Papst nannte das Gleichnis vom barmherzigen Vater und die Geschichte vom Geheilten, der zu Jesus zurück kommt, um laut zu loben und zu danken: „Die Barmherzigkeit stellt alles wieder her und versetzt die Menschen in ihre ursprüngliche Würde zurück. Darum ist die überströmende Danksagung die richtige Antwort: Man muss sofort zum Fest schreiten, das entsprechende Gewand anziehen, den Groll des älteren Sohnes hinter sich lassen, sich freuen und feiern…“, griff er die schwierige Stelle im Gleichnis vom barmherzigen Vater direkt auf. „Es kann uns gut tun, uns zu fragen: Nachdem ich gebeichtet habe, feiere ich da? Oder gehe ich schnell zu anderen Dingen über – wie wenn wir nach dem Arztbesuch sehen, dass die Analysen nicht allzu schlecht ausgefallen sind, diese in ihren Umschlag zurückstecken und uns anderen Dingen zuwenden?“

Aber nicht nur in diesem Begegnungen werde das Übermaß sichtbar, so der Papst, sondern auch in der Vergebung. Gotte erlasse nicht nur die Schulden, sondern „er lässt uns von der zutiefst beschämenden Schande unmittelbar zur größten Würde übergehen, ohne Zwischenstufen. Der Herr lässt zu, dass die Sünderin, der vergeben wurde, ihm in einer familiären Vertrautheit mit ihren Tränen die Füße wäscht. Kaum gesteht Simon Petrus ihm seine Sünde und bittet ihn, auf Abstand zu ihm zu gehen, schon erhebt Jesus ihn zum Menschenfischer. Wir hingegen neigen dazu, die beiden Haltungen voneinander zu trennen: Wenn wir uns der Sünde schämen, verbergen wir uns und lassen den Kopf hängen wie Adam und Eva, und wenn wir zu irgendeiner Würde erhoben worden sind, versuchen wir, die Sünden zu verbergen, und es gefällt uns, uns sehen zu lassen, uns gleichsam ins Rampenlicht zu stellen.“

Wider die Spiritualität ‚light‘

Es brauche eine „Würde, die sich zu schämen weiß“, so Papst Franziskus. Leider sehe man das oft nicht klar, gerade auch für Priester könne eine solche „Blindheit“ für den Glauben gelten. Ein „Übermaß an komplizierten Theologien“ könnte der Grund sein oder auch eine „Spiritualität mit dem Prädikat ‚light‘“.

Der Papst beklagte eine „virtuelle Weltlichkeit“, die man einfach anklicken oder wegschalten könne. „Wir sind unterdrückt, aber nicht von Drohungen und Fußtritten wie viele arme Menschen, sondern vom Reiz tausender Konsumangebote, die wir nicht abschütteln können, um frei auf den Wegen zu gehen, die uns zur Liebe führen (…). Und Jesus kommt, um uns zu befreien, uns herauszuholen, um uns von Armen und Blinden, von Gefangenen und Unterdrückten zu verwandeln in Ausspender von Barmherzigkeit und Trost.“

(rv 24.03.2016 ord)








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