2016-03-08 12:39:00

EU: „Flüchtlingspolitik zeigt Konstruktionsfehler“


Verschoben, aber brennend: Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei über den Umgang mit Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und vor allem aus Syrien haben noch kein konkretes Resultat hervorgebracht. Die Brüsseler Gespräche vom Montag sollen auf nächste Woche verschoben werden. Als Beobachter vertreten ist auch die Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft – kurz ComECE – die zwar nicht am Verhandlungstisch mitdiskutiert, aber die Bischofskonferenzen der EU beim Unionssitz in Brüssel vertritt. Der Wiener Diakon Michael Kuhn ist stellvertretender Generalsekretär der ComECE. Er sagt im Interview mit Radio Vatikan, um was es eigentlich bei den Gesprächen mit der Türkei geht:

„Im Prinzip geht es darum, dass allen klar ist, dass die Türkei eine Schlüsselrolle bei der Lösung der Flüchtlingsfrage hat. Das liegt daran, dass die Flüchtlinge aus der Türkei über das Mittelmeer auf griechische Inseln gehen. Das Problem ist nun in den vergangenen Wochen gewesen, dass zwar sogenannte Hotspots eingerichtet wurden – also Zentren für die Aufnahme und Registrierung – doch die Flüchtlinge vermeiden diese Inseln, und deshalb spielt die Türkei nun eine wichtige Rolle.“

Das Land am Bosporus wisse selber nicht, wie es mit den Flüchtlingen umgehen soll, sagte Kuhn. Fakt sei, dass die meisten Flüchtlinge dort aber ohnehin nicht bleiben möchten. Die meisten wollen weiter nach Westeuropa. Doch in Westeuropa gebe es verschiedene Vorstellungen, wie man damit umgehen soll – auch unter den Bischöfen.

„Man muss zwei Ebenen unterscheiden: Im Prinzip sind sich die Bischöfe einig, dass die Flüchtlinge menschlich behandelt werden müssen - und zwar in welches Land auch immer sie kommen und wo auch immer sie versuchen durchzureisen. Auf der anderen Seite geht es um die Art und Weise, wie das geschehen soll, und um die Zahlen. Darüber gibt es große Unterschiede in den Positionen. Es ist kein Geheimnis, dass die Bischöfe in Westeuropa vor allem eine Dosierung bei der Aufnahme verlangen, während die Bischöfe Mittel-, Süd- und Osteuropa vorwiegend ein schnelles Durchschleusen durch ihre Länder fordern, weil niemand daran interessiert sei, in Ungarn, Polen oder Kroatien zu bleiben. Die Flüchtlinge wollen nach Westeuropa.“

Die ComECE schaut nicht einfach zu oder beschränkt sich auf Kritik. So wurde der Bischof von Eisenstadt, Ägidius J. Zsifkovics, im Auftrag der ComECE als Koordinator für Migration und Integration eingesetzt, so Diakon Kuhn. Dennoch zeige die Flüchtlingspolitik im übertragenem Sinne die Grenzen des EU-Projekts.

„Man merkt, dass die Europäische Union der vergangenen Jahren oder Jahrzehnten sehr stark von einer wirtschaftlichen Integration geprägt war und nicht so stark von einer echten politischen Integration. Das heißt, letztendlich ist die Lösung des Flüchtlingsproblems abhängig vom guten Willen und der Aufnahmebereitschaft der Mitgliedstaaten. Und da merkt man, dass es eben noch Konstruktionsfehler in dem ganzen Bauwerk ,Europäische Union´ gibt. Anhand der Flüchtlingskrise wird deutlich, wo es noch großen Verbesserungsbedarf im europäischen Integrationsprozess gibt.“

(rv 08.03.2016 mg)








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