2016-03-05 13:35:00

Vor 400 Jahren: Prozess gegen Galilei


Vor genau vierhundert Jahren wurde Galileo Galilei der Prozess gemacht: Am 5. März 1616 verbot die Indexkongregation die Verbreitung einiger Texte des Forschers, nach denen nicht die Erde im Mittelpunkt des Universums stehe. An den für die Kirche nicht ganz unpeinlichen Jahrestag haben der Päpstliche Kulturrat und die Kultur-Kommission des italienischen Abgeordnetenhauses schon am Freitag mit einem Kongress erinnert.

Mit dem Dekret aus Rom begann 1616 der Fall Galilei – der erste Prozess gegen den Philosophen, Astronom und Mathematiker aus der Toskana wurde einberufen. Verhandelt wurde nicht weniger als das Weltbild; Galilei, hierin Bannerträger der Moderne, berief sich auf Kopernikus, der Heilige Stuhl hingegen auf die Bibel. „Das ist der vierhundertste Jahrestag eines Dekrets, das im Guten wie im Schlechten die Geschichte unserer Zivilisation geprägt hat“, urteilt heute Melchor Sanchez De Toca, Untersekretär des Päpstlichen Kulturrats. „Wir können die Vergangenheit jetzt in einem Klima neu lesen, das noch vor hundert Jahren undenkbar gewesen wäre.“

„Galileis Lehre wurde nicht als Häresie bezeichnet“

Immerhin 17 Jahre vergingen damals zwischen dem Dekret und der Verurteilung Galileis. Der genaue Blick auf die damaligen Auseinandersetzungen lohnt sich immer noch, glaubt der Historiker Ugo Baldini aus Padua. „Gemeinhin wird das Dekret – das übrigens von der Index- und nicht, wie man oft liest, von der Glaubenskongregation verabschiedet wurde – als ein Verbot der kopernikanischen, heliozentrischen Weltsicht dargestellt. Aber das ist gar nicht exakt. Die Indexkongregation hatte gar keine Befugnis, irgendeine Vorstellung als häretisch zu qualifizieren. Das war allein Aufgabe der Glaubenskongregation. Galileis Lehre wird nur als „falsch und der Heiligen Schrift widersprechend“ bezeichnet; die Kongregation achtete darauf, nicht das Wort Häresie zu verwenden, weil ihr das gar nicht zustand.“

„Theologen können Galilei dankbar sein“

Dessen ungeachtet ist das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Glauben seit damals einigermaßen zerrüttet. Allerdings hat Johannes Paul II. Galilei offiziell rehabilitiert, und der heute emeritierte Papst Benedikt XVI. sorgte mit einer Öffnung von Vatikanarchiven und seinem Interesse an Wissenschaft und Forschung für neue Gesprächsbereitschaft zwischen beiden Bereichen. Für Kardinal Gianfranco Ravasi, den Präsidenten des Päpstlichen Kulturrats, hat schon Galilei einstmals für die säuberliche Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Glauben gesorgt. „Wir müssen ihm als Theologen dankbar sein! Er hat nämlich die beiden Ebenen, die beiden Wege klar unterschieden, und dabei war er sich der Vielgestaltigkeit des Wissens bewusst. Menschliches Wissen verläuft nicht nur auf einem geradlinigen Weg, mag es auch ein so nobler wie der Weg der Wissenschaft sein.“

Historiker erläuterten in Rom, dass durch Galilei erstmals die Gültigkeit der Heiligen Schriften relativiert worden sei; das habe erst wirklich die Freiheit wissenschaftlichen Forschens möglich gemacht. Der Sekretär der Glaubenskongregation, Luis Francisco Ladaria Ferrer, ließ keinen Zweifel daran, dass das mittlerweile auch zum festen Aquis der katholischen Kirche gehört. „In der Konzilskonstitution Gaudium et spes wird ja ausdrücklich bedauert, dass im Lauf der Geschichte Christen die legitime Autonomie der Wissenschaft nicht genügend respektiert hätten; daraus hätten sich Streit und Kontroversen ergeben, und das habe sogar zu dem Eindruck geführt, als ob Wissenschaft und Glaube einander entgegenstünden!“

„Fall Galilei lehrt einiges über die Kirche“

Kopernikanisches Weltbild, ja oder nein? Diese Frage war vor vierhundert Jahren keine rein technische, astronomische, sondern rührte an die Überzeugung der Christen von der Zentralität des Menschen. „Was für Bestürzung sorgte, war vor allem die Vorstellung, dass die Erde, Sitz des Menschengeschlechts seit der Schöpfung, aus ihrer vornehmen Position im Mittelpunkt des Universums verlegt wurde“, erklärt der Wissenschaftshistoriker Paolo Galluzzi aus Florenz. „Die Erde drehte sich also auf einmal wie ein Kreisel um die eigene Achse und wanderte dabei um die Sonne.“

Das Ringen ums Weltbild, das vor vierhundert Jahren einsetzte, ist auch heute hochaktuell, das bekräftigte auf der Tagung von Rom der Historiker Massimo Firpo, der in Turin und Pisa lehrt. Mehr noch: „Der Fall Galilei scheint mir auch sehr modern in der Hinsicht, dass er uns einiges über das Verhältnis zwischen Kirche und Geschichte lehrt. Eine Kirche, die sich ändert, entwickelt, die sich auch mal widerspricht und die – wie im Fall Galilei – Fehler macht. Das ist eine Kirche, die die Geschichte im Namen der Wahrheit, als deren Hüterin sie sich begreift, beurteilt und zu beeinflussen versucht. Zweitausend Jahre Kirchengeschichte sind zweifellos eine Basis für die Autorität der Kirche und ihres Prestiges, ihrer Stärke; aber sie sind auch eine Last, die manchmal fast zu schwer wirkt, um wirklich alles weiter in die Zukunft hinüberzutragen.“

(rv 05.03.2016 sk)








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