2016-02-17 15:48:00

Mexiko: „Auftragsmörder" und „Drogen", die Reizwörter im Titel


Mexikos Zeitungen titeln am Mittwoch alle zum Treffen des Papstes mit den Jugendlichen. Mit den Reizwörtern, die sie in der Ansprache von Franziskus hörten: „Jesus würde euch nie dazu einladen, Auftragsmörder zu werden“ und „Drogen sind nicht der Weg“. Unsere Kollegin Gudrun Sailer mit der aktuellen Presseschau aus Mexiko.

Drogen, Gewalt, organisierte Kriminalität, das sind dauerpräsente Themen in Mexikos Medien. Erst recht, wenn die moralische Welt-Autorität, der Papst, ins Land kommt und seinen Finger in diese tiefe Wunde legt. Das Treffen mit den Jugendlichen nimmt daher in allen Zeitungen breiten Raum ein, auch bei Reforma, der größten Tageszeitung im Land.

im Blattinneren heißt es, die sechs Jesuiten, die den Papst in der Nuntiatur trafen, hätten ihrem Mitbruder einen Brief der Angehörigen der 43 verschwundenen Studenten von Iguala überreicht, Franziskus habe diesen Brief gelesen und sei erschüttert gewesen. Ob die Angehörigen dieser Studenten den Papst treffen können oder nicht, ist in Mexiko ein vielbesprochenes Thema. Sie erhielten Karten in den vordersten Reihen der Papstmesse in Ciudad Juarez. Vatikansprecher Lombardi hat mehrmals betont, er wundere sich über den öffentlichen Druck in dieser Frage: In Mexiko gebe es nicht 43 Desaparecidos, sondern nach offiziellen Zahlen 27.000, und der Papst trage sie alle im Herzen. Eine ganze Seite widmet „Reforma“ der Messe mit den Priestern und Ordensleuten. Einer der wenigen kritischen Kommentare gilt den „ignorierten Opfern“, jenen des Missbrauchs durch Priester. „Es ist schade, dass der Papst in seinem Mexiko-Besucht nichts über die pädophilen Priester und ihre Opfer gesagt hat.“ Mehrere dieser Fälle haben das Vertrauen der Bevölkerung, besonders der gebildeten Schichten Mexikos, in die Kirche schwer erschüttert.

Milenio bietet neben dem Titel „Drogen sind nicht der einzige Weg“ einen ganzseitigen Bericht über das Jugendtreffen, und zwar nicht auf Sonderseiten, sondern im Politik-Teil des Blattes. Eine Doppelseite mit farbenfrohen Fotos aus der Menge – und eine ganze Seite über Missbrauchsfälle durch Kleriker in Mexiko. 2015 sollen bei einer äußerst kirchenkritischen NGO 56 Fälle zur Anzeige gebracht worden sein. Ein politischer Kommentator stellt dem Kardinal von Mexiko-City Norberto Rivera, der allgemein keine gute Presse genießt, ein entschieden kritisches Zeugnis aus. Wie ein „schlechter Schatten“ habe er Franziskus begleitet, hoffentlich habe der Kardinal die päpstlichen Worte gehört, die er selber nie aussprechen werde. Namentlich aufgezählt werden kirchenkritische Politiker, die ihre Kinder zum Selfie-Machen zum Papst schickten und persönlich seinen Ring küssten. Die Trennung von Kirche und Staat ist in intellektuellen Kreisen Mexikos Reibungsfläche und Anlass ungezählter Erörterungen.

Lachender Papst mit Strohhut: Dieses große Bild ziert den Titel von „El Universal“. Auch hier die Schlagzeile mit Jesus und dem Auftragsmörder. Im Inneren eine ganze Seite über die Messe mit Priestern und Ordensleuten, „schließt euch angesichts von Korruption und Drogenhandel nicht in euren Sakristeien ein“, ein Foto zeigt euphorische Schwestern. Eine Doppelseite mit vielen stimmungsvollen Bildern und klaren Aussagen des Papstes beim Jugendtreffen. Und eine Seite Vorschau auf Ciudad Juarez:  US-Regierung arbeitet mit Mexiko zusammen, um die Papstmesse an der Grenze zu überwachen, die Kinder haben schulfrei, für den Besuch wird die Stadt abgesperrt. Noch mehr Zäune.

Überraschend: keine einzige Zeitung kommt ohne das Bild des wütenden Papstes Franziskus aus, das gestern als Video in sozialen Medien die Runde machte. Beim Bad in der Menge des Jugendtreffens in Morelia zog ein junger Mann den Papst zu sich hinunter, Franziskus stolperte über einen Rollstuhl und warf dem Übeltäter ein wütendes „Sei nicht egoistisch! Sei nicht egoistisch!“ zu. Ein aufgebrachter Papst: das gibt es nicht oft, Grund genug für Standbilder auf Titelseiten.

Mit dem Konterfei des Papstes wird in den Zeitungen auch viel Werbung gemacht. Nicht nur für Radio- und Fernsehübertragungen, die in Mexiko flächendeckend gesendet werden, sondern auch für Apotheken, Versicherungen und Lotterien.

(rv 17.02.2016 gs) 








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