2016-02-16 14:07:00

USA/Mexiko: Auf der nördlichen Seite des Grenzzauns


Wenn Papst Franziskus in Ciudad Juarez direkt am Grenzzaun zu den USA zum Abschluss seiner Mexiko-Reise eine Messe feiert, dann werden auf der anderen Seite der Grenze Zehntausende mexikanische Migranten mitfeiern. Nur solche freilich, die bereits legal in den USA leben; für alle anderen wäre das Risiko zu groß, aufgegriffen zu werden. Im US-amerikanischen El Paso, der Zwillingsstadt von Ciudad Juarez, erreichten wir den Migrantenpfarrer Arturo Bañuelas, der mit seiner gesamten Gemeinde dem Besuch von Papst Franziskus an dieser hochsymbolischen Grenze entgegenfiebert – auch weil im Präsidentschaftswahlkampf viel von hispanischen Einwanderern in den USA die Rede ist.

„Es ist ein Segen, wir sind wirklich aufgeregt, dass der Heilige Vater kommt, besonders weil er in diesem historischen Moment für unser Land die Lage der Einwanderer so in den Mittelpunkt rückt, und zwar einmal aus einer anderen Perspektive. Bei uns in den Staaten gibt es viel negative Rhetorik, viel Anti-Einwanderungs-Propaganda. Da heißt es, diese Migranten kommen und belasten unser Bildungs- und Gesundheitswesen. In Wirklichkeit sind sie aber eben auch eine Bereicherung für unsere Wirtschaft und Kultur. Auf dieser Seite der Grenze haben wir mit dem Papstbesuch eine großartige Chance, die Art des Redens über Migration und Migranten zu ändern. Wir brauchen eine starke Stimme wie die des Heiligen Vaters, die herausstreicht, dass wir einander als Brüder und Schwestern behandeln müssen und dass die Migranten zu unserer Familie gehören. Je mehr wir füreinander sorgen, desto mehr profitiert die ganze Gesellschaft davon.”

Die Pfarrei von Arturo Bañuelas kümmert sich in mehreren Aufnahmezentren um die auf welchen Wegen auch immer über die Grenze gekommenen Menschen. Letzten Monat, erzählt der Pfarrer, waren es 700.

„Wir sorgen für Essen und Kleidung und reden mit den Leuten. Wir feiern die Messe mit ihnen oder auch die Geburtstage, zum Beispiel. Es ist ein sehr schöner Dienst. Im Prinzip versuchen wir, für die Leute eine Familie zu sein, während sie von ihren Herkunftsfamilien getrennt sind.“

Keiner der Migranten, die frisch über die Grenze kommen, hat Papiere, die zum Aufenthalt in den Vereinigten Staaten berechtigen. Zwar liegt das Schlimmste hinter ihnen, sobald sie auf US-Boden sind, doch gehen die Traumatisierungen hier auf andere Weise weiter. Pfarrer Bañuelas.

„Die meisten Menschen, um die wir uns hier kümmern, sind frisch angekommene Mütter und Kinder aus Mittelamerika, derzeit recht wenige aus Mexiko selbst. Ihre Geschichten anzuhören, ist sehr schmerzhaft. Die Reisen, die diese Kinder hinter sich haben: Kälte und Angst vor kriminellen Banden. Wenn sie hier ankommen, sind viele traumatisiert, ausgehungert, verängstigt. Das gibt uns eine gute Gelegenheit, auf sie zuzugehen. Kürzlich hatten wir hier einen Elfjährigen, der sich mit seinem siebenjährigen Bruder allein aus Mittelamerika durchgeschlagen hat, und dann waren sie hier und hofften auf jemanden, der ihnen hilft. Oft gibt es einen Familienangehörigen in den USA, den versuchen wir dann zu kontaktieren. Das Problem ist, wenn sie sich auf den Weg zu diesem Familienangehörigen machen, leben sie dauernd in der Angst, aufgegriffen und wieder zurückgeschickt zu werden.“

Mexiko ist derzeit fast ausschließlich Durchzugsgebiet für die inneramerikanische Migration. Aus Mexiko selbst stammen wenige seiner Schützlinge, erklärt der Pfarrer.

„Zum ersten Mal in vielen Jahren haben wir mehr Mexikaner, die in ihr Land zurückkehren, als solche, die in die USA einwandern. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Mexiko wachsen. Aber auch wegen der Rückführungen aus den USA, und das hängt wiederum mit der Anti-Ausländer-Rhetorik in unserem Land zusammen. Außerdem haben viele von ihnen Familien, und sie wollen nicht so lang von denen getrennt sein.“

(rv 15.02.2016 gs)








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