2016-02-12 10:26:00

Kriminologe: Gefängnisrevolte in Mexiko bewusst vor Papstbesuch


Die Revolte im Gefängnis „Topo Chico“ in Monterrey, bei der am Donnerstag Berichten zufolge 52 Menschen gestorben und etliche verletzt worden sind, war nach der Einschätzung eines Experten ein bewusst vor dem Papstbesuch angesetzter Fluchtversuch, der außer Kontrolle geraten ist: „Gefängnis-Unruhen sind in Lateinamerika keine Proteste gegen die Haftbedingungen, sondern die Verschleierung von Massenausbrüchen“, erklärte Gustavo Fondevila vom Studienzentrum CIDE in Mexiko-Stadt am Donnerstag gegenüber „Kathpress“.

Ebenso wie der Papst mit seinem Besuch des berüchtigten Staatsgefängnisses „Cereso 3“ von Ciudad Juarez auf Missstände im Justizsystem hinweisen wolle, so sei auch der jüngste Vorfall in Monterrey ein Anzeichen für diese, so der Politologe, der Lateinamerikas Gefängnisse in Vergleichsstudien erforscht. Der Zusammenhang sei allerdings völlig anders als man vermuten könnte. „In den Haftanstalten, in denen die hygienischen Bedingungen und die Versorgung mit Nahrung und Medizin am schlechtesten ist, kommt es kaum zu derartigen Zwischenfällen“, berichtete der Experte.

Die „schlimmsten Gefängnisse“ in Lateinamerika seien deshalb die „friedlichsten“, da diese fast vollständig von Inhaftierten kontrolliert würden. „In vielen Anstalten bestimmen die kriminellen Banden über Schutzgeldzahlungen, was innerhalb der Mauern passiert - und auf bestürzende Weise tun sie dies viel gründlicher als das Wachpersonal.“ Unruhen wie nun in Monterrey - Zeugenberichten zufolge hatten hier Detonationen einen Brand ausgelöst - gebe es nur dort, wo gut ausgebildete und erfahrene Häftlinge die Logistik übernehmen würden.

Im Fall von Topo Chico werde es einige Tage dauern, bis die Behörden überhaupt ins Gefängnis gehen könnten, so Fondevilas Einschätzung, bis zu einer Bekanntgabe der Zahl der Entflohenen dürfte es sogar Wochen dauern. „Es ist für das Wachpersonal kaum möglich, die Insassen zu identifizieren, da sie meist weder über Fotos noch über Fingerabdrücke verfügen.“ Aus demselben Grund kämen auch bei Entlassungen immer wieder die Falschen an die Reihe, berichtete der Wissenschaftler. Der Termin für den Ausbruch sei gezielt gewählt, „um mehr Skandal zu machen“.

Papst Franziskus besucht im Rahmen seiner am Freitag beginnenden Mexikoreise das Männergefängnis „Cereso 3“ in der Grenzstadt Ciudad Juarez, das als eines der gefährlichsten der Welt gilt. Er trifft hier 700 männliche und 100 weibliche Häftlinge, 250 Familienangehörige und rund 100 Gefängnisseelsorger. Angaben der Diözese Ciudad Juarez zufolge wird Franziskus dabei die Lebensgeschichte einer Gefangenen und drei Musikstücke eines eigens zusammengestellten Häftlingsorchesters zu hören bekommen.

Der Papst wolle mit seinem Besuch im Gefängnis vor allem einer Abstumpfung gegenüber dem Schicksal der Häftlinge entgegenwirken, vermutete Fondevila. „Niemand interessiert sich in Mexiko für sie, denn die Drogengewalt im Land hat die Bevölkerung müde gemacht und aller Empathie beraubt.“ Der Papst könne in Ciudad Juarez viel Sensibilisierung leisten, wenn er auf den Zustand jener hinweise, die schuldig geworden sind. „Vor allem wird er darauf pochen, dass jeder Mensch würdevolle Behandlung verdient“, so der Forscher. Dies sei in den von den Drogenbanden kontrollierten Strafanstalten nicht gegeben.

(kap 12.02.2016 cb)








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