2016-02-04 09:32:00

Padre Pio und Padre Mandic: Männer der Barmherzigkeit


Am Mittwoch sind die sterblichen Überreste von Pater Pio und Pater Leopold Mandic in Rom angekommen. Die beiden heiligen Beichtväter, die die Stigmata Jesu trugen, sind Patrone des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit. Papst Franziskus hat ihre posthume Reise nach Rom veranlasst. Was gedanklich dahintersteckt, fragten wir zwei Patres, die die Heiligen besonders gut kennen.

In der Basilika San Lorenzo fuori le Mura, der ersten Station der sterblichen Überreste der zwei Heiligen, wurde an diesem Donnerstag Morgen die Eucharistie gefeiert, um sie sozusagen in der Ewigen Stadt zu begrüßen; am Donnerstagabend sollen die Reliquien dann nach San Salvatore in Lauro überstellt werden, das ist eine Kirche in der Nähe des Vatikans, aber noch am anderen Tiberufer. Am Freitag dann folgt der Höhepunkt: In einer Prozession über die Via della Conciliazione werden die beiden heiligen Kapuziner in den Petersdom überführt.

Über 70.000 Gläubige werden dazu erwartet, nicht zuletzt weil Padre Pio in Italien der Volksheilige schlechthin ist. Wo man geht und steht, findet man ihn auf Heiligenbildchen, Kalendern oder als Statuette. Viele Italiener wenden sich mit ihren Sorgen und Nöten zuerst an ihn, noch vor Jesus und Maria. Jährlich fahren Millionen Pilger zum Wallfahrtsort in San Giovanni Rotondo bei Foggia, wo seine ziemlich gut erhaltenen sterblichen Überreste in einem gläsernen Sarg ausgestellt sind. Dass sie jetzt nach Rom kommmen, geschieht erstmalig - auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus. Anlass ist das Heilige Jahr der Barmherzigkeit. Der Kapuziner Marciano Morra kannte den 1968 verstorbenen Padre Pio; er erklärt im Interview mit Radio Vatikan, warum der argentinische Papst dem Heiligen aus Pietrelcina besondere Bedeutung beimisst.

Bergoglio liess sich über Pater Pio informieren

„Franziskus sieht in Padre Pio den Priester der Barmherzigkeit. Das ganze Leben Padre Pios war eine Hymne auf die Barmherzigkeit, er hat sie konkret gelebt. Der heilige Paulus lädt die Christen dazu ein, die Last der anderen zu tragen, damit der Bruder, der in Not ist, es leichter hat. Und Padre Pio widmete sein ganzes Leben diesem Anliegen. Der Papst, der diese Realität auf seine Weise gelebt hat, hat in Padre Pio den Priester wiedererkannt, der wie er zu den leidenden Brüdern hinausging.“

Francesco Forgione, wie Padre Pio mit bürgerlichem Namen heißt,  wurde 1887 in Pietrelcina im süditalienischen Kampanien geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Er war schon als Kind lieber in der Kirche, um zu beten, anstatt draußen mit den anderen Kindern zu spielen. Schon mit 15 Jahren war klar: Er würde Priester werden. 1903 wurde er Novize beim Kapuzinerorden. Bekannt wurde er vor allem für seine intensiven, langen Messen und für die Wundmale Jesu, die Stigmata. Den Beichtvater suchten tausende Menschen auf, die dazu aus vielen Teilen der Welt anreisten; auch Karol Wojtyla, der spätere polnische Papst, war darunter. Am 2. Mai 1999 wurde er von Johannes Paul II. selig-, am 16. Juni 2002 heiliggesprochen. Heute gibt es tausende Gebetsgruppen und Vereinigungen, die sich an der Spiritualität Padre Pios orientieren; ein eigener TV- und Radiosender widmet sich seinen Botschaften. Auch der jetzige Papst Franziskus wurde schon früh auf den Heiligen aus Italien aufmerksam, weiß Morra:

„Als Bergoglio noch Erzbischof von Buenos Aires war, lud er mich und einige andere in die argentinische Hauptstadt ein, um ihm über Padre Pio zu berichten. Ich sah, dass Bergoglio in Kontakt mit den Armen lebte, Armut war ihm nicht fremd. Es ist klar, dass er heute, im Jubiläumsjahr, diese Entscheidung getroffen hat, um eine konkrete Vorstellung von der Barmherzigkeit zu geben. Das Treffen mit ihm in Buenos Aires war sehr höflich. Der künftige Papst wollte wissen, wie die Gebetsgruppen Padre Pios funktionierten. Er äußerte den Wunsch, dass diese Gruppen sich auch in Argentinien bilden sollten. Und er lud uns ein, mit ihm ein Pontifikalamt in der Kathedrale der Stadt zu feiern, um diese Gruppen sichtbar zu machen.“

16 Stunden pro Tag im Beichtstuhl

Eine zentrale Verbindung zwischen Papst Franziskus und Padre Pio besteht im Sakrament der Versöhnung, das Franziskus im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit hervorheben möchte. Padre Pio gilt hier als ein Vorreiter, so Pater Morra:

„Padre Pio war kein einfacher Beichtvater. Er schaffte es, 16 Stunden pro Tag im Beichtstuhl zu sitzen. Deshalb kann man verstehen, dass er auch manchmal die Geduld verlor, denn manchmal, wenn er den Beichtstuhl verließ, wurde er von den Gläubigen regelrecht überrannt. Ich sehe in ihm den Priester, den Christus, der das Kreuz trägt. Padre Pio widmete sein ganzes pastorales Engagement der Beichte. Es reicht zu sagen, dass die Gläubigen sich für die Beichte bei ihm voranmelden und manchmal einen Monat lang darauf warten mussten. Das hat es in der Kirchengeschichte noch nicht gegeben. Und das, obwohl er auch ein strenger Beichtvater war, der manchmal auch keine Absolution erteilte. Dennoch war er sicher ein Mann der Barmherzigkeit.“

Ebenbild des guten Hirten

Der zweite Heilige, der nun nach Rom gebracht wurde, ist der Kapuzinerpater Leopoldo Mandic. Er war Angehöriger der kroatischen Minderheit im heute montenegrinischen und damals österreichischen „Venezianischen Albanien“. Mandic, der später in Venedig und Padua wirkte, war als unermüdlicher Beichtvater und für seinen Einsatz für die Einheit der Christen bekannt. Er wurde am 2. Mai 1976 durch Papst Paul VI. selig- und am 16. Oktober 1983 durch Papst Johannes Paul II. heiliggesprochen. Welche Bedeutung er heute für die Gläubigen hat, erklärt uns Pater Flaviano Giovanni Gusella, Rektor des Wallfahrtsortes des Heiligen in Padua:

„Sicher die Zugänglichkeit. Pater Leopoldo war von früh morgens bis spät abends im Beichtstuhl. Wenn es etwas gab, das er von den Oberen erbat, war es noch mehr Zeit für die Beichtenden. Es war seine totale Zugänglichkeit und die Treue zu seinem Amt und seinem Charisma. Wie es auch Papst Franziskus in seiner Verkündigungsbulle zum Jahr der Barmherzigkeit betont, suchen die Menschen auch heute noch einen solchen Beichtvater, der auf dich wartet, dich aufnimmt, nicht die Geduld verliert, der dich wie das Ebenbild des guten Hirten Christi aufnimmt. Ich glaube, das ist die Grundhaltung, die ein Beichtvater haben sollte. Mit einem barmherzigen, zärtlichen, süßen, väterlichen Blick für jene, die sich dem Sakrament der Versöhnung nähern möchten. Wie es der Vater mit dem verlorenen Sohn getan hat.”

Die Pilger, die in diesen Tagen in Rom die sterblichen Überreste dieser zwei heiligen Kapuziner aufsuchen, können natürlich auch die Beichte ablegen.

(rv 04.02.2016 cz)








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