2016-01-31 10:00:00

Gesetzesänderungen in Polen - worum geht es?


Die neue nationalkonservative Regierung Polens hat bereits kurz nach ihrem Amtsantritt weitreichende Gesetzesänderungen vorgenommen, die die Aufmerksamkeit, aber auch die Sorge der internationalen Beobachter, unter ihnen auch die Organe der Europäischen Union, geweckt haben.

Die besonders diskutierten Gesetzesänderungen betreffen einerseits das Verfassungsgericht, und andererseits die öffentlichen Medien in Polen. Mit den Neuregelungen für das Verfassungsgericht, so fürchten die Kritiker, werde die Schlagkraft des Gerichts empfindlich gemindert. Für Entscheidungen des Gerichtshofes ist in Zukunft eine Zweidrittelmehrheit vonnöten, die Beobachtern zufolge kaum erreicht werden kann. Zuvor genügte eine einfache Mehrheit für Entscheidungen. Außerdem müssen nun dreizehn der fünfzehn Richter anwesend sein, um eine gültige Entscheidung abzugeben – zuvor waren es neun, bzw. Fälle konnten bisher auch in kleinen Kammern verhandelt werden. Auch eine weitere Novelle dürfte für große Verzögerungen im Gerichtsbetrieb sorgen: Das Verfassungsgericht soll die Fälle in Zukunft nach ihrem chronologischen Eingang entscheiden, und nicht mehr nach Dringlichkeit. Die EU hatte im Vorfeld der Unterzeichnung des neuen Gesetzes durch Polens Präsident Andrzej Duda vergeblich appelliert, erst die Auswirkungen des neuen Textes auf die Unabhängigkeit und Funktionsweise des Gerichtes zu untersuchen.

Die öffentlichen Medien wurden hingegen durch das sog. „Kleine Mediengesetz“ vom vergangenen 31. Dezember reformiert. Im Einzelnen wurden die Verwaltungs- und Aufsichtsräte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (TVP) und des öffentlich-rechtlichen Hörfunks (PR) mit sofortiger Wirkung entlassen, während Neubenennungen in Zukunft direkt durch den Finanzminister erfolgen sollen. Damit werden die bisher unabhängigen Medien klar dem aktuell herrschenden parteipolitischen Machtapparat unterstellt. Erste Ernennungen haben inzwischen schon stattgefunden. An diesem Freitag wurde auch bekannt, dass der europäische Kultursender Arte die Zusammenarbeit mit seinem polnischen öffentlich-rechtlichen Partnersender TVP als Reaktion auf die unklare Situation der Medien in Polen bis auf Weiteres eingestellt hat.

Die größte Sorge der europäischen Institution gilt nun dem Verfassungsgericht in Polen und dem damit zusammenhängenden diffizilen Gleichgewicht der politischen und institutionellen Kräfte im Land. Eine Aushebelung der höchsten Instanz in Fragen der Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsgemäßheit weckt vor allem in uns Deutschen, aber auch in anderen aus totalitären Regimes kommenden Bürgern ungute Assoziationen. Vor diesem Hintergrund ist wohl auch Martin Schulz’ von der polnischen Regierung mit Empörung zurückgewiesene Stellungnahme zu lesen, in Polen finde eine „Putinisierung“ statt.

Fakt ist, dass die neue Regierung sich bereits in den ersten Wochen nach Amtsantritt über zwei schwerwiegende Entscheidungen des Verfassungsgerichtes, die die Ernennung neuer Richter des Organs betrafen, hinweggesetzt hat. Die Europäische Kommission hat dies zum Anlass genommen, ein erst 2014 eingerichtetes Instrument zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in einem europäischen Mitgliedsstaat einzusetzen – den so genannten Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips. Dieses Instrument ist bislang noch nie eingesetzt worden und ist - bei Nichterfüllung der durch die Kommission ausgesprochenen „Empfehlungen“ an die Staaten zur Widerherstellung der eventuell kompromittierten Rechtsstaatlichkeit - die Vorstufe zu weiter reichenden Sanktionen, die bis zum Entzug des Stimmrechts für den betroffenen Staat gehen können. Die Einsetzung dieses Mechanismus´ ist demzufolge - im Rahmen der Möglichkeiten der Europäischen Kommission - als ernste Warnung an die polnische Regierung zu verstehen.

Der Konflikt um das Verfassungsbericht begann bereits unter der Ägide der scheidenden Regierung der Partei PO. Um noch vor dem sich abzeichnenden Regierungswechsel fünf neue Richter, also ein Drittel der Zusammensetzung des Kollegs, ernennen zu können, änderte die damalige Regierungspartei das Gesetz, das die Ernennungen betraf, und verkürzte die Amtszeiten der Richter. Der bereits bestellte neue Präsident Andrej Duda der Partei PiS (die dann auch die kurz darauf erfolgten Parlamentswahlen gewann) verweigerte jedoch sein Placet für die in aller Eile vorgenommenen Neubenennungen mit Hinweis auf Konflikte des neuen Gesetzes mit der Verfassungsgemäßheit. In der Tat hätte die scheidende Regierungspartei nur drei der fünf Richter neu ernennen können, die weiteren zwei Neuernennungen wären in die Kompetenz der neuen Regierung gefallen (wie das Verfassungsgericht selbst nach Anrufung in der Sache bereits entschieden hat). Im Gegenzug hat jedoch die neue Regierungspartei PiS unmittelbar nach Regierungsantritt qua Gesetzesänderung die bereits entschiedenen Neubenennungen komplett annulliert und im Gegenzug auffallend schnell, mit Placet des Präsidenten Duda, selbst fünf neue Richter ernannt. Auch diese Ernennungen sind jedoch nach Auffassung des Verfassungsgerichtes selbst, das in der Sache entscheiden musste, nicht verfassungskonform, da nur zwei der fünf neuen Richter durch das neue Parlament bestellt werden hätten können. Ein Ende dieses institutionellen Konfliktes ist bislang nicht abzusehen.

 

(rv 31.01.2016 cs)








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