2016-01-18 11:45:00

Synagogenbesuch des Papstes: Gemeinsam gegen Angst und Hass


Die Zeit der Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen Juden und Christen ist vorbei – es hat sich zwischen ihnen eine echte Freundschaft gebildet. Das betonte Papst Franziskus am Sonntag in seiner Ansprache in der jüdischen Synagoge von Rom. Mehr noch als Freunde seien Juden und Christen Brüder und Schwestern vor dem Herrn. Juden und Christen seien eine Familie und diese Familie steht angesichts von Terrorismus und aufkeimendem Rassismus in Europa vor großen gemeinsamen Herausforderungen. Radio Vatikan sprach darüber mit dem Präsidenten der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Kardinal Kurt Koch und mit dem ehemaligen Präsidenten der jüdischen Gemeinde, Riccardo Pacifici.

Die jüdische Gemeinde Roms hat Papst Franziskus am Sonntag in der Synagoge nicht empfangen, um über Theologie zu diskutieren. Das betonte der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni in seiner Rede vor den Gästen in der Synagoge: „Wir empfangen den Papst, um zu bekräftigen, dass die religiösen Unterschiede zu erhalten und zu respektieren sind und nicht für Hass und Gewalt missbraucht werden dürfen.“ Vielmehr gehe es um Freundschaft und Zusammenarbeit, sodass die Erfahrungen, Werte und Traditionen dem Gemeinwohl dienten.

Der ehemalige Präsident der jüdischen Gemeinde Roms, Riccardo Pacifici, war bei der Begegnung in der Synagoge dabei und begrüßte die Worte des Oberrabbiners:

„Der Oberrabbiner hat etwas sehr Schönes gesagt: Die Zeit ist vorbei, wo der religiöse Dialog dazu da ist, sich gegenseitig von der jeweils eigenen Wahrheit zu überzeugen. Sondern um zu verstehen, wie wir zusammenarbeiten können, um mit gemeinsamen Werten die aktuellen Herausforderungen anzugehen. Mit jenen, die Angst haben, die am Ende des Monats kein Geld mehr übrig haben, die von Rassismus und fremdenfeindlichen Kräften werden. Im Namen der Angst vor dem Anderen, auch den Terroristen, bauen diese Rassisten Mauern des Hasses auf, die sehr gefährlich sind: Sie könnten uns Europa in eine Phase vor der Schoah zurückversetzen.“

Nicht nur der interreligiöse Dialog stehe unter neuen Zeichen: die jüdische Gemeinde selbst habe bei dem Papstbesuch ein kleines Tabu gebrochen, so Pacifici: Empfangen wurde der Papst nämlich von der neuen Präsidentin der jüdischen Gemeinde Roms, Ruth Dureghello – der ersten Frau überhaupt in diesem Amt. Sie betonte in ihrer Rede, dass der Papstbesuch in einer schwierigen Zeit stattfinde, in der die Religion im öffentlichen Raum an Bedeutung verliere. Umso wichtiger sei es, dass sich Juden und Christen gemeinsam für das moralische Wachstum der Gesellschaft einsetzten. Nach den Worten des Schweizer Kurienkardinals Kurt Koch, der ebenfalls an der Begegnung in der Synagoge teilnahm, ist die Rückbesinnung auf die jüdischen Wurzeln des Christentums entscheidend:

„Ganz zentral ist es, dass es nicht einfach eine Form des interreligiösen Dialogs ist, sondern dass wir eine ganz besondere Beziehung zum Judentum haben. Wie das schon Johannes Paul II. beim ersten Besuch gesagt hat: Unsere Beziehung ist nicht von außen sondern von innen bestimmt. Wir können gar nicht anders als die jüdischen Wurzeln in unserem Glauben anerkennen und vertiefen. Von daher auch die wichtige Botschaft, die heute oft erwähnt wurde, dass es unmöglich ist, Christ und gleichzeitig Antisemit zu sein. In einer Zeit, in der neue Wellen des Antisemitismus in Europa aufkommen, ist das eine sehr dringende Botschaft.“

Oberrabbiner Di Segni verwies in seiner Rede auch auf das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, bei dem die beiden Religionen ihre gemeinsamen Wurzeln wiederentdecken können. Es knüpft – auch mit seinem Fokus auf die Barmherzigkeit – an das Alte Testament und das Judentum an. Kardinal Koch:

„Die Barmherzigkeit ist überhaupt das Herz des christlichen Glaubens, aber kein Privateigentum des christlichen Glaubens, sondern ist zutiefst im Alten Testament, im jüdischen Glauben verwurzelt und da kann diese Gemeinsamkeit zwischen Juden und Christen auch in diesem Jubiläumsjahr wachsen und vertieft werden.“

Das Heilige Jahr in Rom wird auch überschattet von starken Sicherheitsvorkehrungen angesichts der jüngsten Terrorangriffe in Paris. Auch der Papstbesuch stand unter strenger Sicherheit, die Besucher und Journalisten wurden mehrfach untersucht, Spürhunde überprüften die Taschen. Doch die friedlichen Religionen dürften sich in dieser Zeit nicht von der Angst unterkriegen lassen, so Riccardo Pacifici:

„Ich finde es mutig, dass der Papst das Jahr der Barmherzigkeit trotz der Angst vor Terrorismus eröffnet hat. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Auch sein Besuch in der Synagoge war von hohen Risiken begleitet. Doch dank der guten Arbeit der Sicherheitskräfte hat alles gut funktioniert und wir konnten ohne Angst hineingehen. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht sind wir hinein- und wieder hinausgegangen. Das ist die wichtigste Antwort auf das Lächeln all jener, die uns Angst machen wollen. Heute, an diesem kalten Wintertag in Rom, haben wir Licht gemacht, in einem Moment, wo manche mit ihren düsteren Ideen alles in Dunkelheit hüllen wollen.“

(rv 18.01.2016 cz)








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