2016-01-15 10:19:00

Indonesien nach dem Anschlag: Mehr Radikale - und heimliche Christen


Das neueste Attentat also in Jakarta: Dem Anschlag vom Donnerstag fielen zum Glück nur zwei Menschen zum Opfer, wenn man von den Angreifern selbst absieht. Damit hat der „Islamische Staat“ kurz nach dem Terror von Istanbul nun das größte muslimische Land der Welt angegriffen. Auch die Südostasien-Expertin Monika Griebeler war davon zunächst mal überrascht, wie sie im Interview mit dem Kölner Domradio zugibt.

„Andererseits ist es aber so: Wenn man in die Geschichte guckt - auch in die jüngere Geschichte der letzten 10 bis 13 Jahre, dann hat es schon mehrere solcher Anschläge gegeben. Der größte, an den sich der ein oder andere vielleicht auch noch erinnert, war 2002 der Anschlag auf eine Diskothek auf Bali, bei dem mehr als 200 Menschen ums Leben kamen. Dieser Anschlag wurde auch schon von einer radikal-islamistischen Organisation verübt, dem indonesischen Ableger von Al Kaida. Und der hat seitdem immer wieder auch Luxushotels angegriffen, die australische Botschaft. Aber seit 2009 war es ein bisschen ruhiger geworden.“

Trotzdem – warum Indonesien? Frau Griebeler hat darüber mit vielen Freunden in Jakarta gesprochen. „Die waren auch alle überrascht, weil es jetzt ja ein Anschlag ist, wie man ihn zuletzt aus Paris kannte: auf ein Café, auf ein Einkaufszentrum, also im Grunde auf die normalen Bürger. Die meisten Indonesier sind Muslime, aber leben eher einen liberalen Islam, sind etwas toleranter. Und die sind überrascht und schockiert, sagen aber: Ja, es hat sich abgezeichnet. In den letzten Jahren hat sich die Religion auch bei uns konservativer entwickelt. Konservative Kräfte haben da ein bisschen die Macht gewonnen - radikalere Kräfte auch. Vielleicht lässt es sich so begründen, dass Anhänger der islamistischen Gruppen in Indonesien sagen: Wir müssen gegen die Feinde im Inneren vorgehen, die Feinde in unserem Land.“

Das sind vor allem die Polizei und das Militär – aber eben auch die liberalen, muslimischen Gläubigen. „Die radikalen Kräfte sagen: Das Land zerfällt. Der moralische Verfall ist immer ausgeprägter. Die Leute trinken Alkohol. Die Sexualmoral hat sich gelockert. Es gibt große Armut und große Arbeitslosigkeit im Land. Und die einzigen Möglichkeiten, die wahren Muslimen bleiben - so ist zumindest die Überzeugung dieser radikalen Kräfte - ist, dass sie entweder Zuflucht im IS suchen oder ihr eigenes Leben für die Errichtung eines islamischen Staates in Indonesien geben, so hat es einer der Anführer auch geschrieben.“

Die Christen im Land – es sind etwa neun Prozent der Bevölkerung – sehen das natürlich mit Unruhe. Von der einstmals sprichwörtlichen Glaubenstoleranz in Indonesien ist immer weniger übrig. „Auch in meinem Freundeskreis sind ein oder zwei Christen, aber die halten das weitgehend geheim. Sie sagen zwar: „Ich bin Christ“, aber sie hängen das nicht an die große Glocke. Das liegt zum einen daran, dass in den letzten Jahren die radikaleren Kräfte ein bisschen Zuspruch gewonnen haben. Zum anderen aber auch daran, dass es in einzelnen Regionen auch immer noch zu Christenverfolgungen kommt. Der jüngste Fall war zum Beispiel im Oktober auf Sumatra, in der Region Aceh, die als streng radikale Islamisten-Hochburg bekannt ist. Da wurden Kirchen abgerissen - angeblich, weil sie illegal errichtet wurden. Andere wurden angegriffen, niedergebrannt. Gleichzeitig gibt es aber auch Berichte, dass beispielsweise um Weihnachten herum islamische Jugendorganisationen geholfen haben, Kirchen zu schützen. Also, diese Verfolgung von Christen ist in Indonesien eher regional begrenzt.“

Was wiederum dazu führt, dass das Verhältnis zwischen den Religionen je nach Region sehr unterschiedlich ist. Frau Griebeler hofft, dass Indonesien die Terrorgefahr (wieder) in den Griff bekommt. „Ich habe vorhin schon gesagt, seit 2009 war es weitgehend ruhig. Das liegt vor allem daran, dass die indonesischen Sicherheitskräfte viele Angriffe verhindert haben, die Situation, die Terrorbedrohung unter Kontrolle hatten. Jetzt gibt es diesen großen Anschlag - wobei, wenn man sich den anschaut, er wurde relativ stümperhaft ausgeführt. Ich hoffe, dass die Sicherheitskräfte weiterhin die Kontrolle behalten.“

(domradio 15.01.2016 sk)








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