2015-12-31 14:55:00

Moskau: Disput zwischen Patriarch Kyrill und Ex-Kirchensprecher


Zwischen dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. und seinem vor wenigen Tagen abgesetzten Sprecher Erzpriester Wsewolod Tschaplin eskaliert nun ihr interner Konflikt auch öffentlich. Tschaplin war 20 Jahre lang einer der loyalsten und engsten Vertrauten des heutigen Patriarchen. Als das jetzige Kirchenoberhaupt das wichtige Außenamt des Patriarchats leitete, diente Tschaplin ihm als rechte Hand und von 2001 bis 2009 auch offiziell als Stellvertreter. Nach seiner Wahl zum Patriarchen Anfang 2009 machte Kyrill I. ihn zum Sprachrohr der Kirche und wichtigsten russisch-orthodoxen Lobbyisten, der regelmäßig vom Parlament um Rat gefragt wird. Tschaplin drückte so manchem Gesetz den Stempel der Kirche auf.

Doch seit einigen Tagen lässt der verheiratete, kinderlose Priester plötzlich kein gutes Haar mehr an seinem einstigen Chef. „Sehr viele meiner Kollegen haben Angst, ein Wort in der Öffentlichkeit zu sagen“, so Tschaplin in russischen Medien. Sie fürchteten Sanktionen des Patriarchen, der keinen Widerspruch dulde.

Zum Bruch zwischen Kyrill I. und Tschaplin kam es am 24. Dezember, als das vom Patriarchen geleitete Führungsgremium der Kirche, der Heilige Synod, den Vollblut-PR-Mann als Vorsitzenden der Synodalabteilung für die Beziehungen zur Gesellschaft absetzte. Die Kirchenabteilung wurde mit dem Informationsamt zusammengelegt und die Leitung dessen Chef Wladimir Legojda übertragen.

Durch die Beseitigung der Parallelstrukturen solle die Arbeitsweise effizienter und besser werden, teilte die Kirche zur Begründung mit. Von einem Zerwürfnis war keine Rede. Im Gegenteil: In der Erklärung wurde Tschaplin für seine langjährige Mitarbeit bei der Gesetzgebung und im Interreligiösen Rat Russlands gedankt.

Nun berichten russische Medien, Kyrill I. sei schockiert über die beispiellose Kritik seines einstigen engen Mitarbeiters an ihm. Tschaplin leide an einer „psychischen Störung“, wurde der Patriarch zitiert. Auf Initiative Kyrills wurde Tschaplin am Dienstagabend auch als Vizechef des „Weltkonzils des Russischen Volkes“ abgesetzt. An der Spitze des 1993 gegründeten Gremiums, dem Vertreter der Religionsgemeinschaften, der Regierung und gesellschaftlicher Gruppen angehören, steht Kyrill I. Es berät unter anderem den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen.

Tschaplin ließ sich den Mund indessen nicht verbieten. Die Kirchenspitze wolle alle „unabhängigen Köpfe“ loswerden, klagte er. Aber dem Patriarchen werde nicht gelingen, dass in der Kirche allein seine Stimme zu hören sei. Die Kirche solle „kritischer gegenüber unmoralischem und ungerechtem Handeln der staatlichen Autoritäten sein“, forderte der Geistliche.

Zu seinen persönlichen Zukunftsplänen wollte sich Tschaplin noch nicht konkret äußern. Eine Idee sei die Gründung einer Zeitschrift. Das schließe er nicht aus, so der Ex-Kirchensprecher.

(kap/kna 31.12.2015 mg)








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