2015-12-14 09:08:00

Burundi: Dutzende von Toten, aber (noch) kein Krieg


Die Spirale der Gewalt in Bujumbura dreht sich immer weiter. Etwa neunzig Menschen haben in den letzten Tagen den Tod gefunden, das ist die höchste Zahl seit Ausbruch der Spannungen im Mai. Angefangen hatte alles mit Protesten gegen eine dritte Wiederwahl von Präsident Pierre Nkurunziza. Doch der starke Mann Burundis setzte sich durch, gegen Teile seines Volkes und auch gegen die Verfassung. Am Stadtrand haben am Freitag etwa 150 Bewaffnete Militär-Compounds angegriffen; in Stadtvierteln, in denen es viele Oppositionelle gibt, fand man Dutzende von Leichen auf den Straßen, Einwohner sprechen von willkürlichen Hinrichtungen.

„Das Land riskiert einen Bürgerkrieg“, sagt uns der burundische Priester Dieudonné Niyibizi. „Die jungen Leute, die acht Monate lang gegen die erneute Kandidatur des Präsidenten für eine dritte Amtszeit demonstriert haben, sind längst bewaffnet, und sowohl unter Hutu wie unter Tutsi zirkulieren Waffen. Es gibt bewaffnete Gruppen, einheimische und aus dem Kongo. Doch der Bürgerkrieg, den wir riskieren, ist nicht einer zwischen Hutu und Tutsi, weil die Armee mittlerweile zu jeweils fünfzig Prozent von beiden Gruppen gestellt wird, und so verhält es sich auch mit den Behörden und den Oppositionellen. Der Konflikt verläuft nicht zwischen Hutu und Tutsi, sondern zwischen zwei politischen Gruppen. Zwar gibt es noch eine ethnische Färbung einfach deswegen, weil unsere neuere Geschichte eine des Hutu-Tutsi-Gegensatzes ist; doch im wesentlichen ist die Frage eher politisch gelagert.“

Burundi habe ein „demokratisches Defizit“, weil seine politischen Parteien „nicht richtig funktionieren“, urteilt der Geistliche, der in Rom studiert (da kann man dann auch freier reden als im Land selbst). „Oppositionelle wollen aus dem Exil zurückkehren, und zwar mit Waffen in der Hand. Wenn es soweit kommt, wird Burundi keine Demokratie mehr sein, sondern ein politisches Regime, das auf dem Recht des Stärkeren fusst. Die Demokratie lässt sich hier nur durch einen Dialog der beiden Gruppen lösen, also durch einen Dialog der Machthaber mit den Oppositionellen – denen innerhalb und denen außerhalb des Landes.“

Das kleine Burundi grenzt an den Kongo und an Ruanda; es war die Ermordung des burundischen Präsidenten, die 1994 den Völkermord in Ruanda auslöste. Burundis Bürgerkrieg endete 2006, seitdem kam ein innerer Versöhnungsprozess in Gang. „Doch die Wunden bluten immer noch. Man spricht von Krieg: Für morgen wird ein Krieg angekündigt. Das weckt Angst und stresst die Menschen, die nichts dringender wünschen als ein ganz normales Leben. Burundi ist eines der ärmsten Länder der Welt, den meisten Menschen geht es einfach darum, dass sie morgen etwas zu essen auf dem Teller haben! Darum rührt das Gerede vom bevorstehenden Krieg an die noch blutenden Wunden eines Landes, das noch keine Versöhnung erlebt hat.“

Die katholische Kirche des Landes hat unter anderem mit einer Versöhnungs-Synode versucht, den Friedensprozess in Gang zu halten. Umsonst: Die Zeichen stehen, wie Niyibizi formuliert, „auf einer Rückkehr in die Vergangenheit“. Über 200.000 Menschen sind in den letzten Monaten aus Angst vor einem Bürgerkrieg außer Landes geflohen. Der Priester hält allerdings gar nichts davon, wenn internationale Medien jetzt die Gefahr eines Völkermords an die Wand malen: Das helfe den Burundern nicht. „Was wir hier haben, ist das Risiko eines Bürgerkriegs, mit Massentötungen. Aber ein Völkermord ist etwas anderes, darum geht es hier jetzt nicht! Wer jetzt davon spricht, in Burundi, in den Medien, der macht den Menschen Angst und führt auch in der internationalen Gemeinschaft zu einer Alarmstimmung. Für mich stachelt das zum Krieg an, weil es Verzweiflung hervorruft. Es treibt die Leute dazu an, sich zu verteidigen... In Wirklichkeit sind wir noch nicht an diesem Punkt.“

(rv 14.12.2015 sk)








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