2015-11-13 15:12:00

Schönborn: „Zäune sind keine Lösung“


„Zäune haben den Andrang von Flüchtlingen nicht vermindert und werden ihn auch nicht vermindern“: Kardinal Christoph Schönborn kritisiert mit diesen Worten die Pläne der Regierung Österreichs, Zäune an der Grenze zu seinem südlichen Nachbarn Slowenien zu errichten. Der Wiener Erzbischof äußerte sich zum Abschluss der Herbstvollversammlung der österreichischen Bischöfe. Zäune seien keine Lösung, auch wenn sie vielleicht als provisorisches Mittel dienen könnten, die „Ströme der Schutzsuchenden in geregelte Bahnen zu lenken“. Für den Nahen Osten und damit für viele Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machten, brauche es aber dringend entschiedenere Friedensinitiativen, so der Kardinal. Nur so könne man das Probleme adäquat von seiner Wurzel her angehen.

Einmal mehr stellte der Vorsitzende der Bischofskonferenz klar: „Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund." Das Flüchtlingsdrama sei ein weltweites Drama, das Europa auch in Zukunft massiv belasten werde. Freilich sei Europa an der schwierigen globalen Situation auch teilweise selbst schuld, so der Kardinal unter Verweis auf die ungerechte Weltwirtschaft. Wenn Papst Franziskus von einer Wirtschaft spricht, die tötet, sei das in vielen Ländern Realität.

Auch wenn die Belastungen durch die Flüchtlinge für Europa noch größer würden, sei dies noch verkraftbar, so Schönborn. Er erinnerte daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg rund drei Millionen Menschen, darunter übrigens auch Familie Schönborn, allein aus der damaligen Tschechoslowakei flüchten mussten. „Und es ist auch gegangen".

Um die in Teilen der Bevölkerung vorhandenen diffusen Ängste vor den Flüchtlingen abzubauen, helfe am besten die persönliche Begegnung, unterstrich der Kardinal. Zudem sei die rasche Integration der Flüchtlinge, vom Erlernen der Sprache bis zum Arbeitsplatz, notwendig. Er wisse wohl um die schwierige Lage am Arbeitsmarkt, dass man Menschen aber jahrelang vom Arbeitsmarkt aussperrt, sei nicht zu rechtfertigen, sagte Schönborn.

 

Rasche Asylverfahren notwendig

Zum inzwischen viel diskutierten „Asyl auf Zeit" zeigte sich der Kardinal auf Nachfrage sehr skeptisch. Viel sinnvoller seien rasche Asylverfahren. Wenn von vornherein klar sei, dass jemand kein Recht und keine Chance auf Asyl hat, dann seien das jahrelange Warten und die damit verbundenen falschen Hoffnungen nicht zu rechtfertigen.

Auf den Familiennachzug angesprochen, meinte Schönborn, dass es sich dabei um ein Grundrecht handle, freilich ohne Automatismus. Es sei normal, dass Flüchtlinge auch ihre zurückgebliebenen Familien in Sicherheit bringen wollten. Allerdings könne es auch keine undifferenziertes Recht auf einen selbstverständlichen Familiennachzug geben.

 

Bischofssynode hat Bewegung gebracht

Bei der Pressekonferenz zur Vollversammlung kam Kardinal Schönborn auch auf die im Oktober in Rom zu Ende gegangene Versammlung der Bischofssynode zu sprechen. Es sei „einiges in Bewegung“ gekommen, kommentierte er die Ergebnisse. Die Synode zu Ehe und Familie hat Türen geöffnet, um Menschen in schwierigen Lebenssituationen die Teilnahme am kirchlichen Leben besser als bisher zu ermöglichen und zu gestalten. Auf die Frage, warum im Abschlussdokument der Synode der Zugang zu den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene nicht direkt angesprochen wird, erläuterte Schönborn, dass man damit einer einseitigen Fokussierung auf die Kommunionfrage entgehen wollte. Es könne auch eine „Falle" sein, wenn man das Thema zu eng sehe und zugleich das Umfeld vernachlässige. Es gehe darum, „den Blick auf das Ganze zu richten", auf den Kontext, in dem eine Scheidung oder auch eine zweite, zivile Ehe stehen. „Gott sei Dank spricht das Synodendokument auch die Situation der Kinder an", so der Kardinal. Auch die Situation des verlassenen Ehepartners sei in den Blick zu nehmen. Das sei freilich eine große Herausforderung für die Seelsorge.

Im Abschlussbericht der deutschsprachigen Arbeitsgruppe bei der Synode wurde u.a. eine Vergebungsbitte für Verfehlungen der katholischen Kirche im Umgang mit ledigen Müttern, außerehelich geborenen Kindern, nichtehelichen Lebensgemeinschaften, Homosexuellen, Geschiedenen und Wiederverheirateten formuliert. Es sei schade, so Schönborn, dass diese Passage dann nicht in das Enddokument übernommen wurde. Zugleich sei es aber gut und notwendig gewesen, dass zumindest die deutschsprachige Gruppe diese Bitte endlich öffentlich formuliert habe.

 

(kap 13.11.2015 ord)








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