2015-11-13 07:15:00

Caritas: Fairer Handel statt Geld aus Brüssel


Die EU will künftig stärker die Fluchtursachen afrikanischer Migranten bekämpfen. Auf dem Flüchtlingsgipfel in Malta vereinbarten die Vertreter der EU-Länder am Donnerstag einen „Nothilfe-Treuhandfonds“, zu dem die EU-Kommission 1,8 Milliarden Euro beisteuert. Mithilfe der EU-Mitgliedstaaten soll die Fonds-Summe auf 3,6 Milliarden Euro steigen. Ziel des gemeinsamen Aktionsplans mit der Afrikanischen Union ist es, die Schlepperkriminalität einzudämmen und legale Migration zu ermöglichen. Wird die Geldspritze aus Brüssel Afrikaner künftig davon abhalten, auf Wanderung gen Europa zu gehen? Der Afrika-Referent von Caritas International in Freiburg, Christoph Klitsch-Ott, glaubt das nicht.

„Die ungerechten Handelsbeziehungen haben eine viel größere Auswirkung als die Entwicklungszusammenarbeit. Dadurch, dass Europa, Nordamerika, aber auch China subventionierte Produkte auf dem afrikanischen Markt verkaufen, dort Märkte zerstören oder durch Zollschranken bzw. gesetzliche Regelungen den Zugang für afrikanische Unternehmer zu westlichen Märkten massiv behindern, werden viel größere Probleme geschaffen, und die können über Entwicklungsprojekte nicht gelöst werden.“

Eigentlich nötig wäre aus der Sicht des Experten ein handelspolitischer Mauerfall: „Es bräuchte eine echte Handelspolitik, die Afrika die Möglichkeit gibt, wesentlich einfacher Produkte in Europa oder im Welthandel zu verkaufen, Dienstleistungen anzubieten. Allein, wenn man den landwirtschaftlichen Sektor nimmt, bedeutet die hohe Subvention der Landwirtschaft in Europa, dass eben afrikanische Produkte hier kaum eine Chance auf dem Markt haben! Da reden wir über viel größere Investitionssummen oder Handelsgewinne als über Entwicklungsprojekte.“

Abkommen über Rückführungen: nicht so sinnvoll 

Klitsch-Ott kann verstehen, warum viele afrikanische Länder nicht gerade aktiv dabei mithelfen, dass Migranten aus Europa zu ihnen zurückgeschickt werden: Sie hängen mittlerweile zu stark am Tropf der Gelder, die Afrikaner aus Hamburg oder Oslo an die Familien zuhause schicken. „Die Rücküberweisungen der Migranten in ihre Heimatländer sind inzwischen fast doppelt so hoch wie die Entwicklungshilfe! Das heißt, diese ganzen Afrikaner, die hier in Deutschland, Frankreich, Belgien usw. arbeiten, überweisen mehr Geld an ihre Familien zuhause, damit dort Schulgeld bezahlt werden kann, medizinische Versorgung, Häuser gebaut werden können, als über die gesamte staatliche und private Entwicklungshilfe nach Afrika fließt.“

Der Caritas-Experte glaubt nicht, dass die Rückführungsabkommen, die Europa mit afrikanischen Ländern abschließt, wirklich einen großen Effekt haben werden. „Es gibt sicher Fälle, wo man sagen kann, dass das humanitär vertretbar ist, jemanden in den Senegal oder auch nach Nigeria zurückzuschicken; das halte auch ich für vertretbar. Aber die großen Flüchtlingsgruppen kommen eben aus Eritrea, aus dem Sudan, teilweise aus Gambia – auch eine Diktatur. Da wage ich stark zu bezweifeln, dass deutsche Gerichte dem zustimmen werden. Ich persönlich gehe davon aus, dass wir da über eine niedrige fünfstellige Anzahl von Flüchtlingen reden.“

Guter Vorstoß: Erleichterung der legalen Migration

Interessant an der Vereinbarung von Malta findet Klitsch-Ott die geplante Erleichterung der legalen Migration. „Man wird sehen, über wie viele Leute man da redet, aber das ist unsere Erfahrung: dass es für viele Afrikaner, die planen, nach Europa zu gehen, sehr interessant wäre, für einige Monate nach Europa zu kommen, hier zu arbeiten – wie das ja sehr viele illegal tun, in Obstplantagen in Spanien oder Süditalien –, dann nach Hause zu gehen und im nächsten Jahr wiederkommen zu dürfen. Oder eben mit einem Zwei- oder Drei-Jahres-Vertrag ausgestattet zu werden, um sich Geld zu verdienen, weil man z.B. heiraten will, und danach zurückzugehen. Damit wäre sicherlich sehr vielen Afrikanern gedient, und man würde zumindest einen Teil der Migranten aus der Illegalität holen.“

Die Idee, eventuell mit Hilfe des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR Transitzentren an den Fluchtrouten in Afrika einzurichten, hält Klitsch-Ott nicht von vornherein für schlecht. Es gebe bereits etwas Vergleichbares: in Agadez, in Niger, wo viele Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa durchkommen, aber viele auch stranden. „Dort wird Aufklärung geleistet über die Gefahren der Migrationsroute und über die Aufnahmebedingungen in Europa. Da gibt es durchaus dann Migranten, die sagen: War vielleicht doch keine gute Idee, zu emigrieren; ich lasse mir helfen, um wieder in mein Heimatland zurückzugehen. Wenn die Transitzentren in dieser Richtung arbeiten, wäre das sicherlich von Vorteil, weil viele Migranten sich mit einigen Illusionen auf den Weg machen.“

(rv 13.11.2015 cz/sk)

 








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