2015-11-03 11:39:00

Türkei: Angst vor Chaos bestimmte Wahlergebnis


Recep Tayyip Erdogan hat die türkischen Wahlen vor allem deswegen gewonnen, weil die Türken Angst vor dem totalen Chaos haben. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Dominikanerpater Alberto Ambrosio. Er lebte elf Jahre lang am Bosporus und gilt als Experte für den türkischen Islam.

Der aus Italien stammende Pater Ambrosio ist skeptisch, dass nach den Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen bald wieder Ruhe in dem Land einkehren werde. „Im Vergleich noch zu den Zeiten vor zehn Jahren, als die Partei Erdogans die Mehrheit bekam, hat sich die gesamte geopolitische Lage enorm verändert. Früher bestanden zwar Probleme mit Syrien, aber so etwas wie den ,Islamischen Staat´(IS) gab es ja damals nicht. Aus dieser Sicht kann man nun die jüngsten Wahlen als Suche nach Stabilität interpretieren auf Kosten der Demokratie. Ein weiterer Punkt, den man Erdogans Partei AKP zuschreiben muss: diese Partei setzt vor allem auf große Bauprojekte.“

Dies sei eines der Themen, die man im Westen ausblende. Die Türkei gelte mittlerweile jedoch als wirtschaftliche Regionalmacht.

„Wenn man den religiösen Aspekt betrachtet, so kann man verallgemeinernd sagen, dass ein traditioneller und konservativer Islam gewonnen hat, der sogar von den extremistischen türkischen Islamisten unterstützt wird. Dennoch würde ich sagen, dass ein ,verankerter´ Islam und nicht ein ,radikaler´ Islam gewonnen hat. Der Nationalismus spielt eine viel größere Rolle als die Glaubensfrage. Kurz gesagt: die Türken setzen auf Expansionismus.“

Und wie steht es mit den Minderheiten, wie beispielsweise die Christen? Dazu Dominikanerpater Ambrosio:

„Dialog gibt es hier erst, wenn es um quantitative Dinge geht. Es laufen zwar Gespräche mit Juden und Christen in der Türkei, in denen es vor allem – und für beide Seiten – darum geht, Vorteile in jeglicher Hinsicht zu verschaffen, sei es für den türkischen Staat, sei es für die Minderheit selber. Das wird auch nach dieser Wahl so bleiben.“

Am vergangenen Wochenende hatte die Partei des türkischen Staatschefs Erdogan die absolute Mehrheit zurückgewonnen, nachdem diese seit dem Gezi-Aufstand vom Frühjahr 2013 in Frage stand.

(rv 03.11.2015 mg)








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