2015-10-10 09:46:00

Unser Buchtipp der Woche


Jan Assmann: Exodus. Die Revolution der Alten Welt. Ein Buchtipp von Stefan v. Kempis.

‚Exodus’: Das ist das zweite Buch der Bibel. Die Erzählung vom Aufbruch des Volkes Israel aus dem „Sklavenhaus Ägypten“ in Richtung Freiheit. Nicht das Gelobte Land wird im Laufe dieses Buches erreicht – noch nicht –, aber am Sinai entsteht nach Schilderung von ‚Exodus’ eine göttliche Gesetzgebung, der das Volk zustimmt und die die Grundlage seiner Freiheit werden wird.

Ausgerechnet der Ägyptologe Jan Assmann, bekannt durch seine Thesen zu Monotheismus und Gewalt (denen Benedikt XVI. während seiner Reise ins Heilige Land 2009 widersprach), nimmt sich nun der Exodus-Erzählung an. Er deutet sie als große religiöse, politische und soziale Revolution der Antike, die bis heute wirkkräftig ist. Wohltuend ist dabei, dass sich Assmann – anders als Heerscharen von Exegeten – gar nicht lange mit Datierungsproblemen einzelner Perikopen oder mit dem genauen historischen Wahrheitsgehalt aufhält, und dass er auch Seitenblicke auf Mose-Darstellungen in Kunst und Musik keineswegs scheut.

Interessant ist aber in erster Linie, wie konsequent Assmann diese alten Texte auf ihre Sprengkraft hin abhorcht. Für ihn sind sie die Gründungsdokumente eines für die Antike vollkommen neuartigen „Monotheismus der Treue“, den er bis heute „in allen abrahamitischen Religionen“ als „das dominierende Element“ identifiziert. Der am Sinai direkt zwischen Gott und dem Volk (und nicht etwa Mose, wie der Autor betont) eingegangene Bund „ist eine in erster Linie affektive Beziehung“ – das ist das revolutionär Neue. „Damit entsteht ein Begriff von Religion, der die Welt verändert hat“, urteilt Assmann: Religion hat auf einmal etwas mit Gerechtigkeit, Staat, Familie und der richtigen Lebensführung zu tun und beschränkt sich nicht länger „auf Kult, den Umgang mit dem Heiligen“. „Religion wird nun von ‚Kultur’ unterscheidbar und ihr als kritische Instanz gegenübergestellt.“

Das belegt Assmann in einer glänzend, auch humorvoll geschriebenen Analyse der Exodus-Erzählung, die er „die grandioseste und folgenreichste Geschichte“ nennt, „die sich Menschen jemals erzählt haben“. Das ist fesselnd zu lesen und setzt scheinbar vertraute Geschichten (nicht: Mythen) in ein ganz neues Licht. Und nebenbei zeigt es auch die anhaltende Relevanz und Faszination des Ersten, des Alten Testaments.

Jan Assmann: Exodus. Die Revolution der Alten Welt. Beck Verlag. Ca. 30 Euro.

(rv 10.10.2015 sk)








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