2015-09-29 09:40:00

Ukraine: „Größte humanitäre Katastrophe Europas seit Weltkrieg“


Europa droht eine weitere Flüchtlingswelle, und zwar aus der Ukraine. Davor warnt der Caritas-Ukraine-Präsident Andrij Waskowycz im „Kathpress“-Interview, wenn keine internationale Hilfe eintrifft. Denn das Land und die Bevölkerung gelangen mit der Versorgung von den Flüchtlingen an die Grenze der Belastbarkeit. „Wir haben mit 1,4 Millionen offiziell registrierten Flüchtlingen die größte humanitäre Krise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben 1,4 Millionen Binnenflüchtlinge registriert und 900.000 Menschen, die das Land aufgrund des Krieges verlassen haben. Das sind Zahlen, die, wenn man die Dunkelziffer noch mit hineinnimmt, größer sind als die Bosnienflüchtlinge während dem Balkankrieg,“ berichtet Waskowycz. Die Dunkelziffer der Flüchtlinge, die in Folge der Kämpfe zwischen ukrainischer Armee und prorussischen Separatisten geflohen sind, liege wohl deswegen höher, weil viele sich nicht registrieren lassen. Viele hätten Angst, dass ihre Daten wieder zurück gelangten in die umkämpften Donbass-Region und ihnen daraufhin ihr Eigentum in diesen Gebieten weggenommen werden kann.

Nicht nur die Situation der oft nur notdürftig untergebrachten und staatlich wenig unterstützen Binnenflüchtlinge sei äußerst prekär, auch die Versorgungslage der Zivilbevölkerung in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten. Rund 2,5 Millionen Menschen seien betroffen. Jeder der fliehen konnte, sei geflohen. Zurück blieben vor allem Alte, Bedürftige und Behinderte, berichtet Waskowycz. Es fehle an Lebensmitteln, Wasser, Decken, Medikamenten, Kleidung und Hygieneartikeln. „Die meisten Menschen sind mehr schlecht als recht verpflegt, die meisten Menschen sind mehr schlecht als recht gekleidet. Die staatliche Unterstützung ist sehr gering. Die Leute kriegen eine einmalige Auszahlung von 800 Hrywnja als Hilfsgeld, wenn sie sich registrieren lassen und sonst bekommen sie noch die sozialen Leistungen, die sie in ihren Gebieten auch bekommen hätten. Diese Hilfe gibt es, aber es gibt eben keine Hilfe für die Flüchtlinge als solche. Somit sind die Flüchtlinge auf die Hilfe internationaler Organisationen angewiesen und davon gibt es in der Ukraine nur wenige.“

Doch nicht nur die wenigen NGOs wie Caritas helfen. Auch die Ukrainer selber helfen den Flüchtlingen aus ihrem eigenen Land. Waskowycz sprach von einer „enormen Solidarität“ innerhalb der ukrainischen Bevölkerung. Einheimische mit geeigneten Räumlichkeiten hätten mit Schildern am Bahnhof ihre Hilfe angeboten, als Flüchtlinge aus den Krisengebieten in Kiew ankamen, erzählte der Caritas-Präsident. Sie sagen: „Ich bin bereit, jemanden in meiner Familie aufzunehmen. Ich bin bereit, jemanden monatelang mitzutragen, mit zu verpflegen, mit ein zu kleiden, ihnen alles zu geben, was wir ihnen geben können. Deswegen ist es für mich ganz wichtig, dass auch die Menschen im Ausland verstehen, dass hier die Ukraine nicht bittet, dass man ihr hilft, weil sie die Hilfe im eigenen Land nicht leisten kann. Die Hilfe in ihrem Land geht an ihre Grenzen.“

316 Millionen US-Dollar seien laut UNO (Humanitarian Response Plan) erforderlich, um heuer die Flüchtlingskrise in der Ukraine zu bewältigen, bisher habe die Staatengemeinschaft diesen Fonds erst zu 36 Prozent dotiert. Laut Waskowycz muss gerade Europa auf die Ukraine schauen und weitere Unterstützung leisten, um das Land zu stabilisieren und den Menschen eine Perspektive zu bieten, denn andernfalls werden die Menschen weiterziehen, prophezeit der ukrainische Caritas-Präsident. „Dann werden wir das haben, wo die Europäischen Länder eigentlich wachsam werden. Dann werden wir nämlich eindringende Flüchtlinge haben – Refugees, die in ein Land der EU kommen. Dann sind die Zahlen nicht mehr so wichtig. Denn wir sehen, was passiert, wenn 100.000 Flüchtlinge in die Staaten der europäischen Union kommen. Da steht ganz Europa Kopf.“ Würden alle Flüchtlinge innerhalb der Ukraine Richtung Europa weiterziehen würden, so Waskowycz, würde Europa die Krise der Ukraine mehr Bedeutung beimessen.

 

(kap 29.09.2015 pdy)








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