Der koptisch-orthodoxe Patriarch Tawadros II. hält sich derzeit zu einem fünftägigen
Besuch in Äthiopien auf. Die äthiopisch-orthodoxe Kirche ist mit 40 Millionen Mitgliedern
die zweitgrößte Ostkirche weltweit. Unmittelbarer Anlass des ersten „apostolischen
Besuchs“ von Tawadros II. ins Nachbarland ist das Fest der Kreuzerhöhung nach äthiopischem
Kalender, eines der höchsten Kirchenfeste in dem ostafrikanischen Land.
Der Besuch des koptischen Patriarchen hat sowohl kirchenpolitischen als auch staatspolitischen
Charakter. Denn die Auseinandersetzungen um die Nutzung des Nil-Wassers belasten die
Beziehungen zwischen Kairo und Addis Abeba. Im Januar hatte der äthiopisch-orthodoxe
Patriarch Mathias I. Ägypten besucht. Dabei war er auch vom ägyptischen Präsidenten
Abd-el-Fattah al-Sisi und vom Großimam der Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb,
empfangen worden.
Patriarch Mathias I. bemühte sich, das Vorhaben einer „kirchlichen Vermittlung“ bei
den Spannungen zwischen Ägypten und Äthiopien im Bezug auf den Bau des „Grand-Ethiopian-Renaissance“-Staudamms
voranzubringen. In Ägypten wird befürchtet, dass sich das äthiopische Bauprojekt negativ
auf den Wasserstand des Nils auswirken könnte und damit die für die Wirtschaft und
die Bevölkerung des Landes notwendige Wassermenge reduzieren würde.
Die äthiopisch-orthodoxe Kirche war bis 1959 unter juridischen Gesichtspunkten an
das koptische Patriarchat gebunden. Erst damals wurde die Autokephalie (Selbständigkeit)
der äthiopischen Kirche anerkannt.
Der „Grand-Ethiopian-Renaissance“-Damm ist ein Talsperrenprojekt am Blauen Nil, das
derzeit etwa 40 Kilometer östlich der sudanesischen Grenze von dem italienischen Baukonzern
„Salini-Impregilo“ verwirklicht wird. Der Grundstein war im April 2011 vom damaligen
äthiopischen Ministerpräsidenten Meles Zenawi gelegt worden. Zenawi argumentierte
in der Auseinandersetzung mit Ägypten, dass die Talsperre die Verfügbarkeit des Wassers
im Unterlauf des Nils nicht reduzieren und das Wasser für die Bewässerung sogar regulieren
werde. Das an die Talsperre angeschlossene Wasserkraftwerk wird mit 6.000 Megawatt
das größte Afrikas sein.
(kap 28.09.2015 sk)
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