2015-09-27 14:36:00

Franziskus: Beziehungen wie im Shoppingcenter


Welche Werte soll die Kirche jungen Leuten mitgeben, die sich auf die Ehe vorbereiten? Heutzutage gebe es eine Beziehungskultur „wie im Shoppingcenter“, beklagte Papst Franziskus bei einer Begegnung mit rund 300 Bischöfen, die in Philadelphia am Weltfamilientreffen teilnehmen. Zivile und kirchliche Trauung gehörten früher wie selbstverständlich zusammen, sagte der Papst in der Kapelle des geräumigen Priesterseminars „St Charles Borromeo". Diese Tage seien vorbei. Die Beziehungskultur habe sich bildlich gesprochen von einem bescheidenen Tante-Emma-Laden zu den heutigen Konsumgegebenheiten hin entwickelt.

„Die Welt scheint sich in einen großen Supermarkt verwandelt zu haben, wo die Kultur eine Wettbewerbsdynamik angenommen hat. Man verkauft nicht mehr „auf Anschreiben“, man kann den anderen nicht mehr trauen. Es gibt keine persönliche Verbindung, keine nachbarschaftliche Beziehung. Die gegenwärtige Kultur scheint die Menschen dazu zu bewegen, sich an nichts und niemanden zu binden. Weder vertrauen noch sich anvertrauen. Denn das Wichtigste scheint heute zu sein, dem letzten Trend zu folgen oder zu tun, was „in“ ist. Sogar auf religiöser Ebene. Was wichtig ist, bestimmt heute der Konsum. Beziehungen konsumieren, Freundschaften konsumieren, Religionen konsumieren, konsumieren, konsumieren…“

Gleichzeitig würden Arme und Ausgestoßene zurückgelassen. Nach Franziskus liegt eine der Wurzeln von Armut in der radikalen Einsamkeit, der viele Menschen unterworfen seien.

„Indem sie einem „like“ nachlaufen, indem sie dem Ziel nachlaufen, die Anzahl ihrer „followers“ in irgendeinem sozialen Netz zu erhöhen, bewegen sich die Menschen – bewegen wir uns – in den Bahnen, die diese heutige Gesellschaft uns vorschlägt. Eine Einsamkeit, die jede Verbindlichkeit fürchtet und hemmungslos nach Anerkennung sucht.“

Es sei jedoch ein Irrtum zu behaupten, diese „Kultur“ der gegenwärtigen Welt sei einer Abneigung gegen Ehe und Familie aus rein egoistischen Motiven geschuldet. „Sind denn die jungen Menschen dieser Zeit etwa alle unrettbar feige, schwach und unbeständig geworden?“, frage Franziskus und warnte: „Gehen wir nicht in diese Falle!“. Viele Jugendliche hätten im Rahmen dieser entmutigenden Kultur eine Art unbewusster Befangenheit verinnerlicht. Daher seien sie wie gelähmt gegenüber den schönsten, erhabensten und auch sehr notwendigen Impulsen. Es gebe viele, die ihre Heirat aufschieben in Erwartung der idealen Bedingungen für den äußeren Wohlstand. Und derweil vergehe das Leben ohne Würze. Denn die Weisheit der wahren Würze des Lebens komme mit der Zeit, als Frucht des großherzigen Einsatzes der Leidenschaft, der Intelligenz, der Begeisterung.

Auch der Christ sei nicht „immun“ gegenüber den Veränderungen seiner Zeit, und ebendiese konkrete Welt mit ihren vielfältigen Problemkreisen und Chancen sei der Ort, wo die Bischöfe, Priester und Ordensleute leben, glauben und verkünden müssten. Die Begeisterung für die Familie wieder zu wecken, zu begleiten, zuzuhören, das sei die Aufgabe der Kirche. Ein Christentum, das in der Realität wenig praktiziert, aber in der Ausbildung unendlich viel erklärt werde, befinde sich in einem gefährlichen Missverhältnis. Franziskus nannte das einen „echten Teufelskreis“.

Die Familie sei für die Kirche eine Verbündete, ein Fenster zur Welt. Sie sei für die Kirche nicht vor allem ein Grund zur Sorge, sondern die glückliche Bestätigung des Segens Gottes, der auf dem Meisterwerk seiner Schöpfung ruhe. Deshalb müsse sich die Kirche „erkenntlich zeigen“, der Familie weniger mit Klage, als mit Wertschätzung und Dankbarkeit begegnen. In der Begleitung der Familien gehe es weniger darum, Reden zu halten, als darum, Seelsorge zu betreiben.

„Unser Ideal ist ja wirklich nicht, frei von Liebe zu sein! Der gute Hirte verzichtet auf eigene familiäre Bindungen, um all seine Kräfte und die Gnade seiner besonderen Berufung dem Segen des Evangeliums für die Liebe zwischen Mann und Frau zugutekommen zu lassen, die den Schöpfungsplan Gottes verwirklichen – angefangen bei denen, die den Weg verloren haben, die verlassen, verletzt, erschüttert, erniedrigt und ihrer Würde beraubt sind.“

Zu Beginn seiner Rede hatte Franziskus den Bischöfen aus aller Welt berichtet, er habe soeben Opfer des Missbrauchs durch Kleriker getroffen. Sichtlich erschüttert sagte der Papst: „Gott weint" angesichts solcher Verbrechen. Er verspreche, dass alle Verantwortlichen in der Kirche dafür zur Rechtenschaft gezogen würden.

 (rv 27.09.2015 cz)








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