2015-09-25 04:18:00

Papst Franziskus US-Kongress: Ermutigung und Provokation


Die Papstrede vor dem US-Kongress war eine Herausforderung für die Politiker, durch ihre Inhalte natürlich aber vielleicht mehr noch durch die Grundhaltung, aus dem parteipolitischen und wahlkämpferischen Gegeneinander heraus zu kommen und Verantwortung zu Übernehmen. Eine Beurteilung aus berufenem Munde, Chris Lowney hat ein Buch über den „Leader“ Papst Franziskus geschrieben, „Why he leads the way he leads“.

Für ihn als US-amerikanischen Katholiken sei erst einmal das Wichtigste gar nicht das, was der Papst gesagt habe. Allein die Tatsache, dass da ein Papst im US-Kongress stehe und auch die Tatsache, dass mit dem Vizepräsidenten, dem Speaker, vielen Richtern des Obersten Gerichtes und dem Außenminister – um nur einige zu nennen – so viele Katholiken in Amt und Würden sind, das sei ein unglaubliches Zeichen. Er selber erinnere sich noch an Zeiten, als die Katholiken noch keine Rolle im öffentlichen Leben hatten.

 

Dialog vor den Einzelthemen

In der Rede sei ihm vor allem aufgefallen, dass der Papst so viel von Dialog gesprochen habe, bevor er die einzelnen Themen angesprochen hat. „Jeder, der das gehört hat, hat das in einem politischen Zusammenhang gehört, der zutiefst polarisiert, negativ, auf Kampf aus ist, so dass es nur noch um das Gewinnen geht, nicht mehr um das Gemeinwohl, um das es eigentlich geht. Viel Applaus hat der Papst bestimmt dafür bekommen, dass die Politiker gemerkt haben, dass er sie aufgerufen hat, die zu sein die sie sein sollen. Das hat sie gefreut, das zu hören.“

Die parteipolitische Spaltung sei ein großes Problem in der Wahrnehmung der Anliegen des Papstes, gerade im Kongress. „Ich  befürchte, dass die Rede sich politischer anfühlt, als sie tatsächlich war oder als der Papst sie gemeint hat. Alles wird interpretiert im Prisma Demokrat, Republikaner, Konservativer, Liberaler.“

Bei Themen wie Umwelt oder Einwanderung, die zutiefst katholische Themen seien, hätten vor allem die Demokraten im Parlament applaudiert, weil sie sich und ihre politischen Anliegen dort erkannt hätten. Das gleiche gelte für den Lebensschutz: Das Beispiel, was er genannt habe, war nicht die Abtreibung, sondern die Forderung nach der Abschaffung der Todesstrafe, auch das ein parteipolitisches Thema. „Das hat mich ein wenig überrascht. Das zeigt mir, dass der Papst die Dinge sagen wollte, die ihm wichtig waren. Er hat seine Worte nicht auf politischen Effekt ausgerichtet. Er hat nicht an mögliche Reaktionen von Demokraten und Republikanern gedacht, er hat keine Balance vorgedacht. Er hat die ihm wichtigsten Themen herausgenommen, über die er zu Amerikanern sprechen wollte.“

 

Die vier Persönlichkeiten

Überrascht habe ihn außerdem die Auswahl der vier Persönlichkeiten. Abraham Lincoln gehört zum politischen Vokabular des Landes. Dann kam aber Persönlichkeit Nummer zwei: Seine Erwähnung von Martin Luther King war die emotional stärkste Stelle der Rede, sagt Christ Lowney. Im Saal war jemand, der damals mit Dr. King den Marsch gemacht habe und der von der Kamera auch eingefangen wurde, zutiefst berührt vom Augenblick. „Der Papst hat dann einen sehr gelungenen Übergang von dieser afro-amerikanischer Geschichte in diesem Land zum eher allgemeineren Punkt der Menschen, die in dieses Land kommen, gemacht. Auch sie wollen die Möglichkeiten haben, der Papst hat auf sich selber als Einwandererkind hingewiesen, auch die meisten Anwesenden stammen von Einwanderern ab. Jede Generation, so das Thema des Papstes, hat ihre eigenen Herausforderungen, damit umzugehen.“ Im Augenblick seien das in den USA vor allem die Latinos, die aus Süd- und Mittelamerika kommenden Migranten.

Die beiden anderen Genannten, Dorothy Day und Thomas Merton, seien eine Überraschung für ihn gewesen, so Lowney. Das seien Namen, die noch vor zwanzig Jahren Allgemeingut gewesen seien unter Katholiken, heute aber kaum noch bekannt. Das sei eine ganz starke Aussage über die Prioritäten des Papstes.

 

Ermutigung und Provokation

Er habe sich bei der Rede ab und zu gefragt, ob es wirklich gut sei, dass der Papst so tief in politische Debatten eingestiegen sei und nicht nur allgemeiner über die Bedeutung von Religion in der Gesellschaft gesprochen habe, bekennt Lowney. Auf jeden Fall aber erkenne er den Mut des Papstes an und seine Überzeugung, von Dingen zu sprechen, die bei den Menschen wichtig sind, zu denen er spricht, in dem Fall Politiker. „Er hat Sachen genannt, die ermutigend waren, andererseits auch zutiefst provizierende Dinge für Amerikaner. Die Leute werden darüber nachdenken. Der Papst hat verstanden, dass es eine sehr seltene Möglichkeit war, die sich ihm da geboten hat und er wollte die Dinge sagen, die er als für die Amerikaner wichtig gesehen hat.“

Was bleibt? Christ Lowney fällt ein Fernsehkommentator ein, der Tage vor dem Besuch einen Wunsch geäußert habe, dem er sich gerne anschließen möchte. „Er sagte, wenn der Papst nur für zwei Wochen das Niveau der politischen Debatten heben könnte und uns anders vorgehen lassen könnte, wäre das ein Erfolg. Bin ich optimistisch? Eher nicht. Aber es wäre meine Hoffnung.“

 

Aus New York Pater Bernd Hagenkord

(rv 25.09.2015 ord)








All the contents on this site are copyrighted ©.