2015-09-06 10:22:00

Menschen in der Zeit: Anton Börner


Anton Börner ist seit 15 Jahren Präsident des deutschen Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen. Der gelernte Diplomkaufmann und Unternehmer setzt sich für den freien Welthandel ein. Er setzt sich dafür ein, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft international zu verbreiten, den interkulturellen Austausch zu stärken und den Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Kirche fortzusetzen. Als Weinproduzent in der mittelitalienischen Region Latium hält er sich an die uralten Aussagen der Bibel. Der Pionier und Groß-Unternehmer Anton Börner ist Komptur des vatikanischen Ordens vom Heiligen Silvester und Träger des Großoffizier-Verdienstordens der Republik Italien.

Herr Präsident, zu drei besonders wichtigen Themen darf ich heute meine Fragen an Sie stellen: zur sozialen Marktwirtschaft, zum interkulturellen Austausch und zum Dialog Politik-Wirtschaft und Kirche. Wir werden aber mit Ihnen, als Weinkenner und Produzent exquisiter Qualitätsweine auch über den Wein sprechen, über seine uralte Bedeutung und seine herausragende Stellung im alten und Neuen Testament. Leider stehen uns dafür nur 15 Minuten  Zeit zur Verfügung: gerade die Zeit, in der ein Weinrebentrieb etwa einen Millimeter wächst.

Zunächst zu Griechenland in zwei Worten?

„Eine ganz schwierige Situation für Griechenland und für Europa. Warum ist das so? Griechenland hat keine wettbewerbsfähige Wirtschaft, zweitens Griechenland hat keine staatlichen Strukturen, die in der Lage sind, die Steueraufkommen zu garantieren, drittens, die Summen, die dort im Spiele sind, sind für die europäischen Länder fast untragbar geworden und ich habe große Bedenken, dass die Zentrifrugalkräfte in Europa zunehmen. Das sind schon sehr, sehr besorgniserregende Dinge, die uns die Schweißperlen in die Stirne treiben.“

Enzyklika „Laudato Si´“ von Papst Franziskus in drei Worten?

„Gut, aber aus unserer Sicht fehlt das wirklich tiefe Verständnis für Unternehmertum, für die soziale Marktwirtschaft, wie sie wirklich funktionieren.“

Thema Nummer eins: die soziale Marktwirtschaft: Sie setzen sich für den freien Welthandel ein. ,Wandel durch Handel´ lautet eines Ihrer politischen Leitmotive.

„Unser Ziel ist es, Wohlstand für alle zu schaffen. Und Elend zu beseitigen. Und die Staaten zur Rechtsordnung und Freiheit hinzuführen. Auf Grund unserer Präsenz haben wir ja Millionen von direkten Verbindungen zu Menschen in diesen Ländern, die eben nicht frei leben dürfen. Und da spricht man natürlich auch über andere Dinge als nur über das Geschäft. Unsere Hoffnung ist, dass man mit Hilfe von Bildung in der Zeit Entwicklungen anstoßen kann, die für viele Länder irreversibel sein werden und zwar in Richtung Freiheit, in Richtung Achtung der Menschenrechte, Respekt vor der Natur, vor der Schöpfung. Das glauben wir selbst gut darstellen zu können, weil wir die Erfolge haben, und das Ergebnis unseres Wohlstandes  sind eben ohne Rechte und ohne Freiheit nicht denkbar.“

In welchem Verhältnis steht die soziale Marktwirtschaft gegenüber der katholischen Soziallehre?

„Ich würde sagen: sie ist in der Anwendung fast deckungsgleich. Der große Unterschied ist, dass die katholische Soziallehre natürlich den Ursprung in Gott sieht. Und Gott ist für uns, als Vertreter einer säkularen Welt, keine Größe mit der wir sozusagen arbeiten, die für uns eine Relevanz hat. Im Ergebnis aber, wenn man tiefer nachforscht, kommt man um diese Glaubensfrage nicht herum. Was ich mir wünschen würde an dieser Stelle wäre einen intensiven Dialog mit der Kirche, den ich leider vermisse, denn er findet systematisch leider nicht statt, Wir klopfen an, aber man macht uns die Türe nicht auf. Da glaube ich, steckte für die Kirche ein erhebliches Potential, das uns auch im täglichen Tun und Handeln weiterbringen würde.“

Thema Nummer zwei: interkultureller Austausch. Welche Wege, welche Gedanken zeigt Anton Börner uns auf diesem Gebiet auf?

„Ich glaube, dieser Austausch ist unbedingt erforderlich für beide Seiten. Für uns Vertreter einer säkularen Welt, aber auch für die Kirche, in einem engen Kontakt zu treten und voneinander zu lernen. Die Kirche versteht uns nicht, wir verstehen auch die Kirche nicht, weil wir völlig anders ausgebildet sind, Uns interessiert die Funktion, warum etwas funktioniert, uns interessiert nicht so sehr das Sein, was ist oder was nicht ist, Aber uns verbindet auch sehr viel: zum Beispiel Entscheidungen werden bei uns auch auf der Basis von Glaubensakten gesetzt. Man kann die Zukunft nicht berechnen, sondern sie ist  offen. Wir leben von Visionen, wir sind schöpferisch als Unternehmer tätig, wir sind beseelt von unseren Gedanken, etwas zu machen, etwas zu produzieren, etwas zu schaffen. Und da würden wir uns sehr schnell einig werden. Aber, wir müssten einen systematischen Dialog institutionalisieren , wir müssten uns treffen, austauschen und  da sehe ich momentan einfach keine Fakten.“

Thema Nummer drei: im Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Kirche – ein Thema, das die Hörerinnen und Hörer von Radio Vatikan besonders interessieren wird  - ziehen Sie jeweils einen roten Faden. Zeigen Sie uns den Verlauf dieses roten Fadens an Hand von wenigen Beispielen auf?

„Ich bin ein sehr kreativer Mensch. Ich bin nicht parteipolitisch gebunden, ich bin im Ehrenamt tätig. Das heißt: niemand kann mir eine Anweisung geben, sondern ich versuche, meine Meinung auch immer zu begründen. Ich setze sehr auf die Vernunft. Es gibt nichts was ich mehr hasse als Fundamentalismus und Ideologien. Das engt den Menschen ein, das versklavt ihn. Das bedeutet, dass ich auch mit meiner Meinung über Politik, glaube ich, akzeptiert bin. Ich setze meine Mitarbeiter immer dort ein, wo sie sich selber entfalten können.“

Sie beraten ein vatikanisches Gremium, das die Botschaft der Kirche in die Welt tragen soll. Kann man das, was die Kirche tradiert, in eine moderne Sprache übersetzen?

„Ich glaube, man muss die Lehre der Kirche in eine moderne Sprache übersetzen. Ich glaube, dass wir heute in einer ähnlichen Situation sind, wie wir es in der Antike bei den Kirchenvätern gefunden haben, als man in diesem Imperium Romanum mit der griechischen Philosophie konfrontiert war und in diesem Raum die Botschaft implementieren musste. Wie hat man das gemacht? Man hatte sich der modernen Sprache benutzt, damals das Griechische, heute das Englisch. Das Zweite: man hat die Begriffswelt und die Gedankenwelt und auch die Denkmethode, die die griechische Philosophie zu absoluten Höhen entwickelt hat, übernommen und hat sie in die eigene Lehre integriert. Das müsste man auch heute tun, wir denken heute anders, wir sind mathematisch-naturwissenschaftlich ausgebildet, sehr stark funktionsorientiert, aber nichts desto trotz sehr logoshaft ausgerichtet. Und da muss man die Brücke schaffen, dergestalt, dass wir in der säkularen Welt, die Inhalte der Kirche, die ja zeitlos sind und Wahrheit ist ja auch zeitlos miteinbeziehen. Und ganz wichtig aus meiner Sicht: Wahrheit muss rückwärts kompatibel sein. Das heißt: was vor tausend Jahr wahr war, ist heute auch noch wahr. Die Wahrheit entfaltet sich, das heißt, sie wird in der Dimension immer größer und die Menge wird sozusagen immer gewaltiger. Und da haben wir heute ein großes Defizit. Das kann man überbrücken, das muss man überbrücken.“

Und endlich sind wir beim Wein, bei der Rebe angelangt: Welchen der vielen Bibel-Zitate über den Wein, über den Winzer, über den Rebstock finden Sie besonders eindrucksvoll?

„Also besonders eindrucksvoll finde ich die Symbolik: dass man den Wein in die Religion übernommen hat. Also dass man diesen klassischen Satz: ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, also deutlicher kann man es ja gar nicht ausdrücken….. Was ist das Besondere am Wein? Ich glaube, die Verbindung der Erde, der Arbeit, die dahintersteckt und dem Alkohol als Symbol der Spiritualität. Also nur wenn Spiritualität sich verbindet mit der Arbeit des Menschen – und das ist interessant, das geht vertikal durch alle Schichten durch – alle Schichten müssen mitarbeiten. Wir sind ein großes Team, wir sind eine Familie, wir sind die Menschheit, wir sind nicht ein Star, der alles macht, sondern nur zusammen, gemeinsam eben, Spiritualität, Alkohol und Händearbeit , der Wein ist ja ein Tiefwurzler, sind wir in der Lage, Qualität und etwas Schönes, Gutes und Wahres zu produzieren und den Menschen zu geben.“

Das Wort Weinberg im Buch der Bücher kommt über 90 Mal, die Rebe und der Weinstock über 60 Mal und die Weinpresse 15 Mal vor. Die große Bedeutung des Weins steht außer Zweifel. Was würden Sie zum Abschluss dieses Gesprächs – für das wir sehr danken – über den symbolträchtigen Begriff der Rebe, des Weins, als  Weinkenner, Mensch und Christ hinzufügen wollen?

„Ausgehend aus der jahrtausendalten Erfahrung, die wir mit dem Wein und der Spiritualität haben, wünsche ich mir mehr Mut, zu den Wurzeln zurück zu kommen, dafür zu stehen und sie auch den Menschen außerhalb unseres Kulturkreises nahe zu bringen. Und das ist genau die Botschaft, die wir ausstrahlen: wir verkaufen nicht gelbe und rote Flüssigkeiten, Alkohol und Zucker, sondern wir verkaufen Sinn. Wir verkaufen die Sinnfrage, wir verkaufen die Werte Europas. In unserer Kultur – und da spielt die Philosophie und die die Religion eine ganz, ganz große Rolle.“

(rv 06.09.2015 ap)








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