2015-08-31 14:20:00

Laudato Si´ Folge 20: Praktische Tipps


Knapp 200 Seiten und 245 Absätze: Die Enzyklika Laudato Si’ von Papst Franziskus ist sein offener Brief an alle Bewohner des Hauses „Erde“ – oder ein Einladungsschreiben zu einer Mieterversammlung, auf der er der Hauptredner ist. Was sollen wir, seine Nachbarn – die Mieter im Haus Erde – damit anfangen? Matthias Kiefer, Philosoph und Theologe mit Schwerpunkt Sozialethik, Leiter der Abteilung Umwelt im Erzbischöflichen Ordinariat München und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen (Erz-)Bistümer hat Praxistipps. Was soll nun ein Leser der Enzyklika damit anfangen?

„Ich würd sagen, er soll sie lesen, er soll sie reflektieren, er soll sie diskutieren und schlussendlich die Impulse aufgreifen und in die Alltagswelten um setzen.“

Ein Lesedurchgang dauert kaum vier Stunden. Der Papst schreibt in einer einfachen Sprache, kein Fachjargon und somit jedem und jeder zugänglich. Das Lesen ist also schnell gemacht. Und was dann? Schritt zwei:

„Wieder lesen..., diese Enzyklika in einem Rutsch durchzulesen, das kann nur der erste Durchgang gewesen sein. Ich glaub, dann kommt es wirklich darauf an, sich einzelne Passagen einmal durch zu schauen, durch zu denken, gerne auch Sprachen vergleicht … auch da erschließen sich einem neue Inhalte und dann natürlich dieses Nachdenken über diese Botschaften der Enzyklika nicht im eigenen Nachdenken dabei belassen, sondern das mit anderen diskutieren.“

Dies gelte überall. Wichtig sei jedoch, dass den Worten Taten folgen, sagt Kiefer.

„Indem die Anliegen der Enzyklika, also die Verschränkung der ökologischen mit der sozialen Gerechtigkeit, indem das zunehmend zur Leitperspektive von Handeln in den unterschiedlichen Ebenen wird. Eine der möglichen Umsetzungsschienen ist, dass ich mich vor jeder Neuanschaffung frage: Brauche ich das? Und wozu brauche ich das? Welche Kosten gehen damit einher? Kosten nicht nur monetär verstanden. Dass ich mich des Weiteren frage – und das meint der Papst ja mit dem Aufruf zur fundamentalen Umkehr – es ist schon eine Einladung sich selbst zu fragen, was mir selbst im Leben wichtig ist und danach mein Leben auszurichten.“

Es geht darum, bewusst zu handeln und das eigene Handeln zu hinterfragen. Warum mache ich das? Welchem Zweck dient diese Handlung? Was ist der Kosten-Nutzen-Faktor? Richte ich mein Handeln nach meinen allein-persönlichen, egoistischen Interessen aus und handle ich noch dazu auf Kosten der Allgemeinheit? Oder hat mein Handeln keine negative Auswirkung auf die Gemeinschaft oder gar einen Nutzen für alle? In der Praxis ist also ein Paradigmenwechsel gefordert, also Bewusstheit.

Kiefer ist zuversichtlich, dass Laudato Si’ ganz praktisch die Welt in der wir leben verändern kann. Das erklärt er sich dadurch, dass sie schon gewirkt und etwas bewegt habe:

„Sie hat die Kirche in die Pflicht genommen, bei den drängenden Zukunftsfragen dieser Menschheit. Sie hat klar benannt, dass zum Beispiel der Klimawandel von Menschen gemacht ist und dass es deshalb auch in der menschlichen Verantwortung liegt, dagegen etwas zu tun. Sie hat klar gemacht, dass zukünftiges, sozial-ethisches nachdenken oder das Weiterentwickeln von einem, was man katholische Soziallehre nennt nicht mehr auskommen kann, ohne diese Dimension von Verantwortung zu berücksichtigen. Sie hat Nachhaltigkeit auch als Leitperspektive des kirchlichen Handelns definiert und sie hat all denen, die einfach in diesen Feldern Umwelt, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit weltweite Gerechtigkeit arbeiten, bestätigt. Sie hat diese ermutigt und sie es wird in Zukunft schwerer machen, dass man die Anliegen dieser Akteursgruppen nachlässig behandelt. Sie hat die Bedeutung der Themen Umwelt, Armut und Gerechtigkeit für Kirche gesetzt und damit wir in Zukunft damit umgehen sollen.“

Aber erst durch den Dialog ändern sich Einstellungen und Haltungen und nur dann ändert sich ein Verhalten. Kiefer rät, die Anliegen der Enzyklika – also die Verbindung von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit – auf jede einzelne Handlung als Maßstab anwenden:

„Das gilt sowohl in Privathaushalten, als auch bei der Sitzung einer Kirchenversammlung, die über den Haushalt der Kirchenstiftung debattiert, als auch in den Ordinariaten oder in den Landeskirchenämtern, als auch in den staatlichen Verwaltungen und so weiter und so fort: Diese Ebene der Verantwortung gegenüber dem Nächsten – das wäre die soziale Gerechtigkeit und die Verantwortung gegenüber der Schöpfung – das wäre die ökologische Gerechtigkeit – schwingt immer mit, bei jeder Einzelentscheidung.“

Und das wird ganz schnell konkret, wie zum Beispiel, wenn sich Diözesen selbst Leitlinien setzen. Laut Kiefer wirkt die Enzyklika also und hat bereits Folgen:

„Weil sie ihn bereichert, weil sie einen ganzheitlichen Blick in die Welt von heute gibt und das Ganze mit einem Aufwand von nur wenigen Stunden. Die Enzyklika ist kein Umweltleitfaden, sondern viel mehr eine Anleitung für Christen und Nichtchristen, wie sie in dieser Welt leben können.“

(rv 31.08.2015 ms)








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