2015-08-22 13:53:00

Römischer Bischof zu Mafia-Beerdigung: Distanz und Barmherzigkeit


Als am Donnerstag in Rom eine von Kitsch überbordende Trauerfeier für den Mafia-Boss Vittorio Casamonica gefeiert wurde, war die Empörung in der italienischen Hauptstadt groß. Unter anderem auch deshalb, weil die Kirche vor einigen Jahren die Beerdigung eines Italieners ablehnte, der wegen einer schweren Krankheit Sterbehilfe in Anspruch genommen hatte. Nun fragen sich viele Italiener: Wie konnte die Stadt Rom, wie konnte die Kirche dann eine derart pompöse Beerdigung eines Mafia-Bosses zulassen? Radio Vatikan sprach mit dem römischen Weihbischof Giuseppe Marciante.

Es war wie im falschen Film. Als am Donnerstag der Sarg von Mafia-Boss Vittorio Casamonica in die Salesianer-Kirche im Osten Roms getragen wurde, spielte eine Blaskapelle Melodien aus dem Mafia-Klassiker „Der Pate“. Beim Auszug zogen sechs schwarze Pferde eine vergoldete Kutsche mit seinem Sarg. Der Kutsche folgte ein Trauerzug mit Luxuslimousinen und Rolls Royce. Aus einem Hubschrauber regnete es Rosen auf die Trauergemeinde. Hunderte Menschen waren gekommen, weinten und applaudierten dem „König von Rom“, wie es auf einem Transparent über dem Kircheneingang stand. Zu sehen war ein Foto von Casamonica, wie er lächelnd und in weiß gekleidet wie der Papst vor dem Petersdom posiert. Der König von Rom, wie der Mafia-Boss Vittorio Casamonica genannt wurde, entstammt eigentlich einer Sinti-Familie aus den Abruzzen und hat sich in den Siebziger Jahren in römischen Mafia-Banden hochgedient. Nach und nach wurde er zu einem einflussreichen Mann in der römischen Unterwelt, betrieb Kreditwucher und Schutzgelderpressung. Seine Macht und der Einfluss seines Clans sollten über seinen Tod hinaus für alle sichtbar werden. Die Stadt und ihre Bürger sind empört über eine so offene Machtdemonstration. Weihbischof Giuseppe Marciante, der in dem oströmischen Stadtteil wirkt, zeigt sich ebenfalls überrascht:

„Auch ich war verwundert über diese Art eine Beerdigung zu feiern. Ich war nicht in Rom und kannte diese Art von Beerdigungsshow nicht. Natürlich protestiere ich gegen eine solche Instrumentalisierung des Todes und der Beerdigungsfeier. Ich distanziere mich von dieser mafiösen, arroganten und gewaltvollen Mentalität. Dennoch war der Tote Katholik und getauft, er war Christ. Sicher war er ein Sünder, wir wissen aus den Zeitungen, was er für ein Leben geführt hat. Doch darüber können wir nicht urteilen, das müssen wir Gott überlassen. Sofern hier keine Stellungnahme gegen die Lehre der Kirche gemacht wurde, können wir eine solche Beerdigung nicht einfach verbieten. Aber wir hätten sicher, wenn wir vorher gewusst hätten, was daraus für ein Spektakel gemacht wird, die Trauernden zu einer diskreteren Feier aufgefordert.“

Hier zeigt sich das Dilemma der Kirche. Seit Papst Franziskus 2014 alle Mafiosi kollektiv aus der Kirche exkommunizierte, muss jeder Priester abwägen: Wie gehe ich mit einem Mafioso um? Segne ich ihn, nehme ich ihm die Beichte ab, feiere ich einen Trauergottesdienst für einen Mafia-Boss? Schließlich sind die meisten Mafiosi auch Katholiken. Ihre Macht betonen sie auch regelmäßig bei Kirchenprozessionen, die vor ihren Häusern Halt machen, um ihnen Respekt zu zollen. Weihbischof Giuseppe Marciante betont aber, dass die Kirche die Mafia ablehnt.

„Die Kirche stellt sich ganz klar gegen das mafiöse Leben. Die spirituelle Entwicklung eines Menschen, der sich mit diesen Verbrechen beschmutzt hat, steht aber auf einem anderen Blatt. Ein Pfarrer muss abwägen und die entsprechenden Stellen um Rat fragen, wie er im Einzelfall vorgeht. Was in diesem Fall nicht ging, war die Show, die aus der Beerdigung gemacht wurde. Papst Franziskus spricht hier aber auch von Barmherzigkeit. Einerseits gilt es, diese mafiöse Mentalität zu verurteilen. Auf der anderen Seite aber sagt Franziskus, dass der Herr auch barmherzig ist.“

Mit Barmherzigkeit hatte diese Feier jedoch wenig zu tun, findet der sizilianische Erzbischof von Monreale, Michele Pennisi. Die Beerdigung sei in eine neapolitanische Szenerie verwandelt worden, die nicht das Ziel hatte, für einen Mann mit vielen Sünden um Vergebung und die Barmherzigkeit Gottes zu bitten, sondern um dem Boss eines Mafia-Clans zu huldigen. Pennisi selbst geht mit gutem Beispiel voran: Der Erzbischof hatte sich geweigert, die Beerdigung eines Mafia-Bosses im sizilianischen Gela zu feiern und erhält nun Morddrohungen. In Rom will niemand so richtig gewusst haben, mit wem man es da zu tun hatte: Der Salesianer-Priester, der die Trauerfeier gehalten hat, Don Giancarlo Manieri, gab im Nachhinein an, vom zweifelhaften Ruf des Verstorbenen nichts gewusst zu haben. Auch die Stadt zeigt sich ratlos und will den Fall nun untersuchen. Der Fall zeigt auch, dass es noch viel zu tun gibt, bis die italienische Hauptstadt die Machenschaften der Mafia in den Griff bekommt. Schließlich ist spätestens seit Dezember bekannt dass die Mafia-Clans Rom quasi mitregieren. Immerhin, dem Hubschrauber-Pilot, der die Rosenblätter auf die Trauergemeinde regnen ließ, wurde vorläufig die Fluglizenz entzogen. Keine Rosen mehr für die Mafia.

(rv 22.08.2015 cz)

 

 








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