2015-08-19 13:00:00

Laudato Si Folge 11: „Mit Puten und Hühnern im Bunde“


 

„Macht Euch die Erde Untertan". Diese biblische Aufforderung bedeutet für den Menschen heute vor allem eines: die Verantwortung und Pflege des Ökosystems und der Tiere, anstatt über sie zu herrschen. So sieht es Franziskus in seiner Umweltenzyklika Laudato Si’, so sieht es auch Pfarrer Rainer Hagencord, der in Münster das Institut für Theologische Zoologie leitet. Insbesondere im Bezug auf die Tiere müsse der Mensch seine Einstellung radikal ändern, findet Hagencord.

In seiner Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“ betont Papst Franziskus, dass der Mensch sich von dem Rest der Natur absetzt. Durch seine Fähigkeit zur Reflexion überschreitet der Mensch einen rein biologischen und physischen Bereich. Das führt nach Franziskus aber nicht dazu, dass die anderen Lebewesen als bloße Objekte angesehen werden dürfen, die der „verantwortungslosen und despotischen“ Herrschaft des Menschen unterstehen. Rainer Hagencord begrüßt diese Aussage des Papstes und sieht darin eine Kehrtwende für unser modernes Weltbild, in dem der Mensch als Mittelpunkt der Schöpfung gilt: „’Die Erde ist nicht für uns da’. Die Tiere sind von Gott gesandte Geschöpfe, durch die er spricht. Er sagt an einer Stelle: ‚Jede Tierart, die wir ausrotten, nimmt Gott eine Möglichkeit zu uns zu sprechen’. Dazu haben wir nicht das Recht. Das sind neue Töne."

Der letzte Zweck der anderen Geschöpfe, so sieht es Franziskus, ist nicht der Mensch. Vielmehr ist der Mensch, der mit Intelligenz und Liebe begabt ist und durch die Fülle Christi angezogen wird, berufen, alle Geschöpfe zu ihrem Schöpfer zurückzuführen. Jedes Lebewesen, auch Pilze, Algen und Würmer sind für das Funktionieren des Ökosystems unentbehrlich und müssten geschützt und gepflegt werden. Tierfreunde gibt es ja viele in unserer modernen Gesellschaft. Hagencord wünscht sich da jedoch noch mehr Ausgewogenheit: „Vor Tierschutz hab ich hohen Respekt, aber es wird schon viel für Hunde, Katzen und Meerschweinchen getan. Der Fokus sollte eher bei Puten, Schweinen, Rindern liegen. Darauf, dass wir alles gegen das elende System tun.“

Mit „elendem System“ meint Hagencord die industrielle Tierhaltung. „Darin werden jährlich Milliarden Tiere geschlachtet, gegessen, in unfassbaren Situationen in den Mastanlagen gehalten, in den Transportern nachts über die Autobahn gekarrt, um dann in immer größer werdenden Schlachthöfen  geschlachtet zu werden, damit wir immer möglichst viel billiges Fleisch zur Verfügung haben. Das finde ich noch das viel größere Thema als Erschlagen von Mücken und Spinnen. Die Frage ist: Darf ich dieses Fleisch noch essen oder muss ich nicht als Christ nicht sehr deutlich sagen: Wenn Gott Liebhaber des Lebens ist, ist er auch mit Puten und Hühnern in einem Bunde und dann geht das, was wir in der industriellen Tierhaltung mit denen anstellen, nun wirklich überhaupt nicht mehr. Dann ist das ein Sakrileg?“

Zwar kann man aus der Bibel nicht direkt einen Vegetarismus ableiten. Fleisch wird dort dann gegessen, wenn es ein Fest gibt, wenn es eine Gottesbeziehung gibt. Etwa bei der Geschichte vom verlorenen Sohn, wo das Mastkalb geschlachtet wird. In dem Beispiel geht es um Versöhnung, wo Gott seine Kraft zurückbekommt, da braucht es vielleicht ein rituelles Essen von Fleisch, weil die Lebendigkeit zurückkommt. Aber die Bibel sagt sehr deutlich, dass Fleisch kein Lebensmittel ist, sondern dass es sich um Mitgeschöpfe handelt, die nicht für uns da sind.

Diesen Bewusstseinswandel wünscht sich Hagencord auch bei den Gläubigen: „Wenn das Pfarrfest ansteht, wird schnell deutlich, dass da wieder Schnitzel her müssen. Da kommt die Schöpfungsfrage ins Spiel, aber nicht prioritär. Das wäre oberste Christenpflicht, bei allem, was Gemeinden jetzt tun: die Schöpfung in den Mittelpunkt stellen. Was dürfen wir noch? Wo müssen wir uns einschränken und wo Solidarität zeigen? Das müssen Kriterien sein, bei allem, was er in der Gemeinde tut. Wer sagt denn, dass das Christentum eine Wohlstandsreligion oder eine bürgerliche Religion ist? Also wenn ich der Gestalt Jesu folge, führt mich das in eine klare Option fürs Leben: Behaltung der Barmherzigkeit und dann gilt das auch für Tiere.“

 

(rv 19.08.2015 cz)








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