2015-08-15 12:59:00

Bruder Alois: „Solidarität ist keine Einbahnstraße"


Die Gemeinschaft von Taizé gedenkt in diesem Jahr des 10. Todestages ihres Gründers Frère Roger. Er starb am 16. August 2005 im Alter von 90 Jahren während eines Gottesdienstes in Taizé; nachdem ihn eine geistesgestörte Frau mit einem Messer angegriffen hatte. Dieses Jahr wäre er 100 geworden. Aus diesem Anlass werden sich erstmals Brüder aus allen Kontinenten in Taizé versammeln. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten ist vom 9. bis zum 16. August und steht unter dem Motto: „Versammlung für eine neue Solidarität“. Radio Vatikan sprach mit Frère Alois, dem Prior der Bruderschaft, über die Bedeutung des Begriffs Solidarität. 

Das Thema Solidarität spielt auch bei diesem Treffen in Taizé wieder eine zentrale Rolle. Wenn Jugendliche gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft in Taizé über neue Möglichkeiten der Solidarität diskutieren, dann geschieht das ganz nach dem Vorbild Frère Rogers, der immer betonte, dass Glaube und Solidarität zusammengehören, meint der Prior der Gemeinschaft, Bruder Alois. 

"Frère Roger war sich immer bewusst, dass Gemeinschaft schaffen über Grenzen heute die Herzen öffnet für das Evangelium. Damals war das ganz stark Osteuropa: Er hat die Grenzen überschritten, von denen man dachte, sie bleiben für die Ewigkeit. Er ist aufgebrochen in die südlichen Kontinente - nicht nur um zu helfen, sondern um einen gegenseitigen Austausch zu finden. Wir dürfen uns nicht nur als die Helfer darstellen. Das ist noch nicht Solidarität. Solidarität bedeutet immer eine Gemeinschaft, die in beide Richtungen geht. Und das ist ein Erbe von Frère Roger, das wir weiterführen."

Die Gemeinschaft von Taizé setzt sich auch ganz konkret für die Solidarität ein. Die Brüder haben Flüchtlingsfamilien aufgenommen aus dem Irak, die jetzt mit ihnen gemeinsam im Dorf leben. Sie kümmern sich um deren Papiere und Arbeitsmöglichkeiten. Die Brüder wollen ein Zeichen setzen, dass man etwas machen kann. Auch die Jugendlichen will die Gemeinschaft ermutigen, aktiv zu werden und sich einzusetzen für andere. Insgesamt verändern sich die Fragen und Sorgen der jungen Menschen mit der Zeit aber auch. Das beobachtet Bruder Alois. Nicht nur das Thema Flüchtlinge wird immer brisanter, sondern auch eine allgemeine Glaubenskrise unter Jugendlichen in Europa:

"Wir sehen, wie die Engstirnigkeit wächst, wie viel man sich auf eigene kleine Identitäten zurückzieht. Das ist sicher eine Bewegung, die stärker geworden ist. Aber daneben gibt es so viel Offenherzigkeit bei den Jugendlichen. Und das muss gestärkt werden. Eine weitere Entwicklung, der wir sehr viel Aufmerksamkeit widmen, ist eine spirituelle Suche der Jugendlichen. Ihnen fällt es oft schwer, ihre eigene spirituelle Suche in Verbindung zu bringen mit Kirche. Weil ihnen das Vokabular oft fremd geworden ist oder ihnen abgegriffen erscheint. Sie finden schwer einen Zugang dazu. Und dafür wenden wir ganz viele Kräfte auf, um den Jugendlichen zu verdeutlichen, dass ihre Suche in der Kirche einen Platz hat."

Genau 10 Jahre ist es her, dass Frère Roger mitten in einem Gottesdienst in Taizé von einer verwirrten Frau erstochen wurde. Der Schock bei den Jugendlichen saß tief. Aber auch die Brüder von Taizé mussten sich neu orientieren. Der heutige Prior von Taizé, Bruder Alois, erklärt, was sich mit dem plötzlichen Tod von Frère Roger verändert hat: 

"Frère Roger hat uns nie gesagt, was wir mal tun sollen. Er hatte Vertrauen, dass wir einen Weg finden für die Zukunft und er hat auch mir persönlich nie gesagt, was ich tun soll. Für uns als Kommunität hat sich natürlich sehr viel verändert, weil Frère Roger nicht mehr da ist. Wir müssen unter allen Brüdern Entscheidungen treffen, was früher viel mehr auf Frère Roger ausgerichtet war. Das war ganz normal, weil er hatte die Intuitionen und die Impulse gegeben und jetzt geschieht das vielmehr auf gemeinschaftliche Weise." 

Zur offiziellen Gedenkfeier Roger Schutz am 16. August kommen Brüder aus allen Erdteilen nach Taizé. Sie wollen über die Zukunft der Gemeinschaft beraten und sich mit den Jugendlichen auszutauschen. Die Brüder kommen zum Teil aus sehr kleinen Bruderschaften in Korea, Bangladesch, Kenia, Senegal und Brasilien. Im September soll auch eine kleine Bruderschaft auf Kuba entstehen. 

"Alle Brüder werden hier sein, wir sind alle zusammen. Ich freue mich sehr auf die Begegnung mit den Brüdern aus den kleinen Fraternitäten und wo wir zusammen überlegen werden: Was ist ihre Zukunft?  Vor allem eine Ermutigung für die Jugendlichen. Sich nicht zu sehr beeindrucken zu  lassen von negativen Kräften, die jetzt stark in unseren Gesellschaften da sind. Gewalt, Rückzug auf kleine Identitäten, die man absichern muss. Sondern die Offenheit des Evangeliums wagen. Christus bringt Menschen über Grenzen hinweg zusammen. Und das wollen wir hier erlebbar machen in Taizé."

(rv 08.08.2015 cz)








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