2015-08-08 12:09:00

Laudato Si', Folge 2: Der Sonnengesang


Laudato Si´: Der Name ist Programm. Die Enzyklika von Papst Franziskus dreht sich um den Sonnengesang – das erste poetische Werk italiensicher Literaturgeschichte. Ein Stück, das auf den schaut, dessen Namen der Papst angenommen hat: Der heilige Franz von Assisi. Er gilt nicht nur im Christentum als Vorbild in Sachen Ökologie und Umweltschutz. Im Mittelpunkt seiner Ökologie steht der Sonnengesang: Laudato Si´, genauso wie die Enzyklika von Papst Franziskus. Bruder Niklaus Kuster lebt in der Nachfolge des Heiligen Franziskus: Für den Kapuzinermönch ist der Gesang noch heute aktuell – und das nicht nur, weil die Enzyklika ihren Namen trägt. Marion Sendker hat mit ihm gesprochen.

Der Sonnengesang handelt von der frohen Sorgfalt um das gemeinsame Lebenshaus. Es ist ein Stück mittelalterlicher Poesie und deckt sich mit Aussagen moderner Bibelwissenschaft und zeitgenössischen ökologischen Programmen. Pater Niklaus findet es bemerkenswert, dass Laudato Si´- nach der Enzyklika "Brennender Sorge" aus den 30-er Jahren – nicht in Latein, sondern in einer modernen Sprache – also ursprünglich in Spanisch – verfasst wurde und dass auch der Titel nicht – wie sonst üblich – Lateinisch ist, sondern Italienisch:

„(Lacht.) Wenn Sie mich als Franziskaner fragen, muss ich sagen: Ich finde den Titel absolut genial. Wenn ich als Franziskaner 'Laudato Si´' höre, dann erwacht natürlich automatisch der Sonnengesang in mir; ein Lied. Und Franziskus von Assisi der sagt ja: 'Laudato si, o signore con tutte le tue creature. Sei gepriesen mein Gott, mit all Deinen Geschöpfen.' Und dieses ,mit allen´ das klingt natürlich mit, wenn ich den Titel lese. Für mich gibt es keinen schöneren Titel als diese mittelalterliche Poesie, die ja heute hundertfach vertont wird, gesungen wird.“

Laudato Si´ sei ein Titel, der in die heutige Zeit spreche. Es gibt unzählige Versionen des Liedes, es wird getanzt, gemalt und in Theaterstücken dargestellt. Der Sonnengesang faszinierte nicht nur damals die Anhänger des Heiligen Franz, sondern begeistert auch heute moderne Menschen – ungeachtet ihrer Nation oder Religion. Die Wurzeln und Kernaussagen seien hingegen zutiefst christlich, so Bruder Niklaus:

„Wenn man den Sonnengesang näher anschaut, dann sieht man dass er ein zutiefst christliches Bekenntnis ist. Dass sich unter anderem darin zeigt, dass er 33 Verse hat und 33 Verse, die sagen: Diese Welt in der wir leben ist das zu Hause Gottes. Gott selber hat in dieser Welt gelebt mit Leib und Seele. Christus hat 33 Jahre in dieser Welt gelebt.“

Trotzdem richte sich der Gesang längst nicht nur an Christen, so Bruder Niklaus. Genauso wie Papst Franziskus seine Enzyklika allen Menschen widmet, trage auch der Sonnengesang eine Botschaft für alle:

„Also auch Franz von Assisi wendet sich an alle Menschen im Bewusstsein, wir sind alle miteinander verwandt, wir sind alle Geschwister. Und sein Sonnengesang erweitert das Jesusbekenntnis und sagt nicht nur, wir Menschen sind alle Geschwister, sondern auch die Tiere, die Pflanzen, alles Geschaffene hat denselben Schöpfer, wir teilen denselben Atem, wir haben dieselbe Lebensquelle.“

Im Sinne dieser Geschwisterlichkeit mit allem was lebt, ist Laudato Si´- und zwar sowohl der Sonnengesang als auch die gleichnamige Enzyklika – ein Appell für globalen Umweltschutz. Jeder sei gefragt:

„Die Kernbotschaft des Sonnengesangs liegt darin, das für den Umweltschutz Gesetze zwar sehr wichtig sind, aber die reichen nicht. Die besten Umwelt- Klimagipfel und so, die werden unsere Probleme nicht lösen. Es geht letztlich darum, eine neue Beziehung aufzubauen, in einer neuen Beziehung zu stehen zu dieser geschaffenen Welt. Das ist eine Herzensangelegenheit, das hat der Papst ja auch sehr schön gesagt. Es geht da nicht nur um wissenschaftliche Erkenntnisse, es geht nicht nur um gesetzgebende Rahmen, Bedingungen für ein ökologisches Verhalten.“

Vielmehr gehe es um die Verantwortung des Menschen für das Zusammenspiel der Geschöpfe. Diese Verantwortung wird im Sonnengesang kunstvoll begründet mit der Beziehung zwischen Himmel und Erde. Zu Beginn nennt das Lied drei Geschöpfe am Himmel: Sonne, Mond und Sterne. Dann besingt es die vier Urelemente der Erde: Wasser, Feuer, Luft und Erde. „Das ist kein Zufall“, sagt Bruder Niklaus:

„Drei ist die Symbolzahl Gottes und vier ist die Symbolzahl des Irdischen. Und drei plus vier macht sieben. Damit sagt Franziskus: ‚Man kann den Himmel nicht gewinnen, wenn man die Erde geringschätzt. Ich kann die Seele nicht freimachen, wenn ich den Leib nicht achte.‘ Also sieben ist die Symbolzahl des Heiligen und wenn Franziskus drei Geschöpfe am Himmel und vier Urelemente der Erde besingt, dann sagt er: Die geschaffene Welt besteht aus Erde und Himmel, das ist eine untrennbare Einheit.

Der Sonnengesang hat das Große, Ganze im Blick. Und nur mit dieser ganzheitlichen Einstellung, kann man das Lied verstehen. Diesen Gedanken gibt auch die Enzyklika wieder:

„Jedes Lebewesen erzählt vom Schöpfer und jedes Lebewesen ist Teil dieses großen Lobliedes auf den Schöpfer. Der Mensch singt eine Stimme in diesem großen Loblied und die Hoffnung der Enzyklika ist ja auch, dass wir neu staunen lernen über die Schönheit über die Weisheit in der Schöpfung, über die Verwandtschaft in der Schöpfung und dass wir uns neu einüben in dieses gemeinsame Schöpfungslob, das Lob des Schöpfers.“

Der Sonnengesang ist ein Plädoyer für einen liebevollen Umgang mit jedem Leben. Das heißt in der Konsequenz aber nicht, dass wir Menschen jetzt zum Veganer mutieren müssen, stellt Bruder Niklaus fest:

"Franz von Assisi war kein Vegetarier. Er hat auch Fleisch gegessen, wenn er irgendwo zu Gast war und ihm Fleisch angeboten wurde. Also der Maßstab ist das Evangelium und im Evangelium heißt es: Esst, was die Menschen Euch anbieten. Ich selber kenne Bauern, oder Bäuerinnen, die sehr viel Liebe zeigen zu ihren Tieren und diese Tiere trotzdem schlachten. Ich denke Liebe zu jedem Wesen verbietet nicht auch die Sterblichkeit zu gestalten."

Das ist die zweite Botschaft des Sonnengesangs: Denn auch „Schwester Tod“ kommt im Lied vor. Sie verkörpert mehr als nur das Sterben von allem, was auf der Erde lebt und die Vergänglichkeit der Welt.

„Es gibt eine Schöpfung hinter dieser Schöpfung, es gibt eine neue Schöpfung, es gibt eine ewige Welt und wir sind in dieser geschaffenen Welt pilgernd unterwegs, es ist nicht unser definitives zu Hause für alle Ewigkeit und wir sind unterwegs zu einem Ziel, das jenseits dieser Schöpfung liegt.“

Auch diesen Teil des Sonnengesangs greift Papst Franziskus in seiner Enzyklika auf: Im Schlussteil betont er, dass es noch eine Sonne über der Sonne gebe, die wir sehen. Damit meint er Gottes Welt, die umfassender ist als das, was wir auf Erden erforschen können.

(rv 08.08.2015 ms)








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