2015-08-02 09:12:00

Umwelt, Autorität und der Papst: Diplomatie im Vatikan


Für jemanden, der den Berliner Politikbetrieb gewohnt ist, sind die Erfahrungen im Vatikan etwas ganz Neues, die Diplomatie sei auf lange Linien angelegt und auf Nachhaltigkeit, als Politiker träume man davon, so arbeiten zu können. Annette Schavan ist seit einem Jahr Botschafterin Deutschlands beim Heiligen Stuhl, davor war sie Bildungsministerin im Bundeskabinett. Die vatikanische Diplomatie mache auf ihn den Eindruck, erfahren und kompetent zu sein, fügt Alfons Kloss an. „Der Vatikan hat den großen Vorteil, weit gestreute Grassroot-Beziehungen zu haben, die Nuntiaturen bekommen ihre Informationen von Seiten, wo es Staaten nicht leicht haben, so viele Kontakte in dieser Dichte zu pflegen.“ Kloss ist nicht zum ersten Mal in Rom, von 2001 bis 2007 hat er als Botschafter Österreich bei der Republik Italien vertreten. Zwei völlig verschiedene Hintergründe, aber dennoch viel Einigkeit darüber, welche Rolle der Vatikan und seine Diplomatie spiele.

„Die Welt kann ohne die katholische Welt mit ihren kulturprägenden Kräften überall nicht verstanden werden“, sagt Annette Schavan. Ohne eine Vorstellung von christlicher Tradition könne man zum Beispiel Europa gar nicht verstehen. Und dauerhaft werde kein Außenministerium ohne Kompetenzen in Sachen Religion auskommen können. Man könne auch lernen, die Kirche habe schließlich Erfahrung mit Einheit in Vielfalt und mit Zusammenhalt. Wenn man sich derzeit immer mehr die Frage stelle, was eigentlich Einheit in den Staaten oder zwischen ihnen stifte, dann sei die katholische Welt von politischem Interesse.

Im Augenblick partizipiere der Vatikan sehr stark an den großen Fragen der internationalen Politik, Botschafter Kloss, die Staaten, die hier am Vatikan vertreten seien, hätten ein starkes Interesse daran, gemeinsame Interessen auszuloten und gemeinsame Aktivitäten zu starten, etwa auf dem Gebiet des Religionsdialoges oder des Friedens und des Klimaschutzes. „Die vatikanische Diplomatie macht das, was letztlich jede Diplomatie tun soll, nur auf eine sehr prägnante Weise: Das Brückenbauen, das Dialog-Suchen, das auf Konsens ausgerichtete Vermitteln ist in der vatikanischen Diplomatie so etwas wie die raison d'être.“ Im Vatikan werde Diplomatie mit ganz klaren politischen Zielsetzungen verbunden und langfristig angesetzt, im besten Sinn sei das politische Diplomatie oder diplomatische Politik, fügt Schavan an.

 

Moralische Autorität

Wenn der Papst in diesem Sinne spreche, sei das immer ein moralischer Kompass, so Schavan. Vor allem auch deswegen, weil er in den klassischen Kategorien der Politik als unparteiisch gilt. „Er gehört nicht zu einer Partei, nicht zu einer Nation, nicht zu einer Region der Welt, er spricht nicht aus diesem oder jenem Interesse heraus, sondern im Verständnis der Welt als über den Parteien stehend.“ Das sei durchaus auch mit Rückfragen verbunden und mit Erinnerungen an tiefgreifende Krisen der katholischen Kirche. „Aber dieser Papst ist unglaublich ermutigend für viele, übrigens auch für solche, die Verantwortung im öffentlichen Leben tragen.“

Kritische Rückfragen gehörten dazu, auch was die jüngste Enzyklika angehe. Das eine oder andere möchte man diskutieren, bei vielem sei aber ein Konsens bereits da, zwischen Wissenschaft, Politik und Kirche. Das habe laut Schavan eine wichtige Folge: „Die Debatten zu den entsprechenden Themen werden ohne Laudato Si‘ nicht mehr geführt“. Die internationale Welt erwartet geradezu, dass der Papst und dass die Kirche sich äußere und in die Debatten einbringe, ergänzt Alfons Kloss. „Es wurde geradezu erbeten oder erhofft, dass hier ein starker Akzent gesetzt wird, auf den die Verhandlungen dann aufbauen können.“ Dass sich der Papst mit seiner Botschaft in die internationalen Gipfel, erst in New York und dann in Paris zeitlich einfüge, zeige die Wichtigkeit des Beitrags. Was der Papst zu sagen habe, werde debattiert. Es sei „eine Stimme, die in der Form sonst von nirgendwo mit dieser Kraft hätte kommen können.“ Da habe der Papst mit seiner Enzyklika ein kräftiges Zeichen gesetzt.

 

Kritik an der internationalen Diplomatie

Das Lob wird umgekehrt aber nicht unbedingt geteilt, erst jüngst hat Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si` Kritik an den internationalen Systemen wie etwa den Klimagipfeln Rio und Rio+20 geäußert, die hätten zu wenig gebracht. „Provokation im besten Sinn“ sei das, kommentiert Annette Schavan. „Wer in solchen Gremien gesessen hat – und ich erinnere mich an viele Jahre in europäischen Ministerräten – der kann gut verstehen, wenn jemand kritisch fragt, ob das wirksam ist, was wir da tun und ob das wirklich mit dem großen Aufwand den Aufgaben gerecht wird.“ Die Wirksamkeit der internationalen Organisationen sei längst nicht so, wie sie gewünscht sei. „Das ist das Dilemma, in dem die internationale Politik seit Jahrzehnten steht“, ergänzt Kloss. Der Papst mit seiner offenen und handfesten Kritik motiviere zu Verbesserungen. Aber allein die Tatsache, dass er im September nach New York fliege um dort vor der UNO zu sprechen zeige aber auch, dass er das Forum durchaus ernst nehme.

 

(rv 02.10.2015 ord)








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