2015-07-12 14:32:00

„Ich möchte euren Glauben, eure Hände, eure Gemeinschaft segnen“


Als er noch Erzbischof von Buenos Aires war, fuhr Jorge Mario Bergoglio immer wieder mal mit U-Bahn und Bus in die Favelas am Stadtrand – und traf dort vor allem Einwanderer aus Paraguay. An diesem Sonntag nun besuchte er als Papst in Paraguay ein Elendsviertel, in dem es immer wieder, zuletzt vor ein paar Wochen, zu schweren Überschwemmungen kommt. Langsam ging er durch die improvisierten Strassen zwischen den Behausungen, sprach mit den Bewohnern, umarmte hier eine alte Frau, setzte dort eine Baseball-Kappe auf, die ihm ein Jugendlicher überreichte. Vielen Menschen im Slum stand die Emotion ins Gesicht geschrieben.

„Heiligkeit, das ist dein Haus“, sagte der Pfarrer in seiner Begrüssungsrede, „hier wohnen deine Brueder!“ Eine Sozialarbeiterin wies darauf hin, dass viele Menschen schon seit langer Zeit in diesem Slum lebten, einige sogar schon seit achtzig Jahren. „Man behandelt uns als ein Problem, das man lösen müsste, man versucht uns umzusiedeln, aber wir sind Teil der Lösung, und wir haben Rechte, die der Staat nicht einfach mit Füssen treten darf!“ Eine engagierte Christin beklagte in einer kurzen Ansprache, dass die soziale Ungerechtigkeit in Paraguay in den letzten Jahren gestiegen sei. „Wir wollen Gerechtigkeit! Wir wollen eine Kirche sein, die die Menschen beim Kampf um ein eigenes Stück Land begleitet!“ Die Menschen in Banado Norte fühlten sich oft „wie der arme Lazarus“.

Franziskus selbst fühlte sich aber an eine ganz andere Bibelszene erinnert, wie er in seiner Ansprache sagte: an die Heilige Familie nämlich. „Eure Gesichter zu sehen, eure Kinder, eure Großeltern. Eure Geschichten zu hören und alles, was ihr geleistet habt, um hier zu bleiben, all die Kämpfe, die ihr geführt habt, um ein würdiges Leben, um ein Dach zu haben. Alles, was ihr tut, um den Unbilden des Wetters, den Überschwemmungen dieser letzten Wochen zu trotzen, alles verweist auf das Gedächtnis der kleinen Familie von Betlehem.“ Auch Maria und Josef hätten ihre Heimat verlassen müssen, um in ein fremdes Land zu gehen: „ein Land, wo sie keinen kannten, kein Heim hatten, keine Familie“. In diese schwierigen Umstände hinein sei Jesus geboren worden; doch die Hirten von den Feldern hätten sich „gleich zur Familie Marias und Josefs, zur Familie Jesu“ gemacht.

„Das passiert, wenn Jesus in unser Leben tritt. Das ist es, was den Glauben weckt. Der Glaube macht uns zu Nächsten, er lässt uns dem Leben der Anderen am nächsten sein, er nähert uns an das Leben der Anderen an. Der Glaube weckt unseren Einsatz, unsere Solidarität. Eine menschliche und christliche Tugend, die Sie haben und die viele, viele Menschen erst erlernen müssen! Die Geburt Jesu macht unser Leben wach. Ein Glauben, der nicht zur Solidarität wird, ist ein toter Glaube oder ein lügnerischer Glaube... Es ist ein Glaube ohne Christus. Der Glaube ohne Solidarität ist ein Glaube ohne Christus, ein Glaube ohne Geschwister...“

Er sei nach Banado Norte gekommen wie einst die Hirten nach Betlehem, fuhr der Papst fort: „Ich möchte Nächster werden. Ich möchte euren Glauben segnen, eure Hände segnen, eure Gemeinschaft segnen... Vielleicht ist die stärkste Botschaft, die ihr nach draussen ausstrahlen könnt, dieser solidarische Glaube.“

(rv 12.07.2015 sk)








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