2015-07-10 13:27:00

Papstansprache im bolivianischen Gefängnis Palamsola


Wir halten hier den vorgefertigten Redetext von Papst Franziskus beim Besuch der Strafanstalt Palamsola von Santa Cruz de la Sierra fest.

Liebe Brüder und Schwestern

Ich konnte Bolivien nicht verlassen, ohne euch zu besuchen, ohne den Glauben und die Hoffnung mit euch zu teilen, die aus der am Kreuz dargebrachten Liebe entspringen.

Danke, dass ihr mich empfangt. Ich weiß, dass ihr euch vorbereitet und für mich gebetet habt. Vielen Dank!

In den Worten von Bischof Jesús Juárez und in dem Zeugnis derer, die gesprochen haben, konnte ich feststellen, dass der Schmerz nicht imstande ist, die Hoffnung auf dem Grund des Herzens auszulöschen und dass das Leben auch unter widrigen Umständen weiter kraftvoll Knospen treibt.

Wer steht da vor euch? Das könntet ihr euch fragen. Ich möchte euch diese Frage mit einer Gewissheit aus meinem Leben beantworten, mit einer Gewissheit, die mich für immer geprägt hat. Der vor euch steht, ist ein Mann, der Vergebung erfahren hat. Ein Mann, der von seinen vielen Sünden erlöst wurde und wird. Und als solcher stelle ich mich vor. Viel mehr habe ich euch nicht zu geben oder anzubieten, doch was ich habe und was ich liebe, ja, das möchte ich euch geben, möchte es mit euch teilen: Jesus Christus, die Barmherzigkeit des Vaters.

Er ist gekommen, um uns die Liebe zu zeigen und sichtbar zu machen, die Gott zu uns hat. Zu euch, zu mir. Eine tätige, echte Liebe. Eine Liebe, welche die Wirklichkeit der Ihren ernst nahm. Eine Liebe, die heilt, vergibt, aufrichtet und pflegt. Eine Liebe, die Nähe schenkt und die Würde zurückgibt. Eine Würde, die wir in vielerlei Art und Weise verlieren können. Doch Jesus ist darin hartnäckig: Er gab sein Leben dafür, um uns unsere verlorene Identität zurückzugeben.

Es kommt mir eine Erfahrung in den Sinn, die uns helfen kann: Petrus und Paulus, zwei Jünger Jesu, sind auch Gefangene gewesen. Auch ihnen wurde die Freiheit entzogen. In dieser Situation hatten sie etwas, das sie stützte, etwas, das sie nicht in Verzweiflung fallen ließ, in die Dunkelheit, die aus der Sinnlosigkeit entspringen kann. Es war das Gebet. Das persönliche und das gemeinschaftliche Gebet. Sie haben gebetet, und für sie wurde gebetet. Zwei Bewegungen, zwei Handlungen, die miteinander ein Netz bilden, das dem Leben und der Hoffnung eine Stütze gibt. Das bewahrt uns vor der Hoffnungslosigkeit und spornt uns an weiterzugehen. Ein Netz, welches das Leben unterstützt, das eure und das eurer Angehörigen.

Wenn nämlich Jesus in das Leben eintritt, bleibt man nicht in der Vergangenheit verhaftet, sondern beginnt, die Gegenwart in einer anderen Weise, mit einer anderen Hoffnung zu sehen. Man beginnt, sich selbst, seine eigene Wirklichkeit mit anderen Augen zu sehen. Manr bleibt nicht an das gekettet, was geschehen ist, sondern ist fähig, zu weinen und so die Kraft zu einem neuen Anfang zu finden. Und wenn wir in manchen Momenten traurig sind, uns schlecht und niedergeschlagen fühlen, dann lade ich euch ein, auf das Antlitz des gekreuzigten Jesus zu schauen. In seinem Blick können wir alle Platz finden. Alle können wir vor ihm unsere Verwundungen, unsere Leiden ebenso wie auch unsere Sünden niederlegen. In seinen Wunden finden unsere Wunden Platz – um gepflegt, reingewaschen, verwandelt und zu neuem Leben erweckt zu werden. Er starb für euch, für mich, um uns seine Hand zu reichen und uns hochzuziehen. Sprecht mit den Priestern, die kommen, redet mit ihnen… Jesus will uns immer hochziehen.

Diese Gewissheit macht uns bereit, für unsere Würde zu arbeiten. Haft ist nicht das Gleiche wie Ausschließung, denn die Haft ist Teil eines Prozesses der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Es gibt viele Elemente, die sich an diesem Ort nachteilig für euch auswirken, das weiß ich sehr wohl: die Überbelegung, die Langsamkeit der Justiz, der Mangel an Arbeitstherapien und an Rehabilitationsprogrammen, die Gewalt – alles Dinge, die ein schnelles und effizientes Zusammenwirken der Institutionen nötig machen, um Lösungen zu finden.

Während dafür gekämpft wird, dürfen wir jedoch nicht alles als verloren ansehen. Es gibt Dinge, die wir heute schon tun können.

Hier in diesem Rehabilitationszentrum hängt das Zusammenleben zum Teil von euch ab. Das Leiden und die Entbehrung können unser Herz egoistisch werden lassen und Anlass zu Auseinandersetzungen geben, doch wir haben auch die Fähigkeit, das in eine Gelegenheit für echte Brüderlichkeit zu verwandeln. Helft euch gegenseitig! Habt keine Angst, einander zu helfen! Der Teufel sucht die Rivalität, die Spaltung, die Parteiungen. Ringt darum, vorwärts zu kommen!

Ich möchte euch bitten, eure Familien von mir zu grüßen. Ihre Gegenwart und ihre Hilfe sind so wichtig! Die Großeltern, der Vater, die Mutter, die Geschwister, die Partnerin, die Kinder. Sie erinnern uns daran, dass es sich lohnt, zu leben und für eine bessere Welt zu kämpfen.

Zum Schluss ein Wort der Ermutigung an alle, die in diesem Zentrum arbeiten: an die Leiter, an die Beamten der Gefängnispolizei und an das gesamte Personal. Sie leisten einen grundlegenden öffentlichen Dienst. Sie haben eine wichtige Aufgabe in diesem Prozess der Wiedereingliederung – die Aufgabe, emporzuheben und nicht zu erniedrigen; Würde zu verleihen und nicht zu demütigen; zu ermuntern und nicht zu betrüben. Ein Prozess, der verlangt, eine Logik der „Guten“ und der „Schlechten“ aufzugeben, um zu einer Logik überzugehen, die darauf ausgerichtet ist, dem Menschen zu helfen. Das wird bessere Bedingungen für alle schaffen. Denn ein so gelebter Prozess verleiht uns allen Würde, ermuntert und erhebt uns.

Bevor ich euch den Segen gebe, möchte ich, dass wir einen Moment schweigend beten. Jeder so wie er kann…

Und bitte betet weiter für mich, denn auch ich mache meine Fehler und muss Buße tun. Danke.

(rv 10.07.2015 no)








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