2015-07-09 13:54:00

Papst: Nein zur „Spiritualität des zapping“


Am Mittwochabend war es, noch in Ecuador, das „geistliche Alzheimer“. An diesem Donnerstag nun war es, mittlerweile in Bolivien, „die Spiritualität des zapping“, die Papst Franziskus bei einem Treffen mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen aufs Korn nahm. In einer Schulturnhalle der Stadt Santa Cruz sagte der Papst: „Immer etwas anderes, noch etwas und noch etwas, aber nichts bleibt. Es sind die Menschen, die der letzten Neuigkeit nachlaufen, dem letzten “best seller”, die aber dann nicht imstande sind, Kontakt aufzunehmen, sich in Verbindung zu setzen, sich einzubringen, auch nicht dem Herrn gegenüber, dem sie doch folgen...“

Franziskus war vom Bericht im Markusevangelium ausgegangen, der die Heilung des blinden Bartimäus durch Jesus schildert. Der Papst machte darauf aufmerksam, dass die Zuhörer Jesu sich vor der Heilung des Blinden von dessen ständigem Rufen gestört fühlten. „Diese Einheit zu zerteilen – Gott hören und den Bruder hören –, ist eine der größten Versuchungen, die uns auf dem ganzen Weg begleiten, wenn wir Jesus folgen. Und wir müssen uns dessen bewusst sein. So wie wir auf unseren Vater hören, hören wir auch auf das gläubige Volk Gottes. Wenn wir es nicht mit eigenen Ohren hören, mit unserer ganzen Fähigkeit des Hinhörens, mit dem Herzen, dann ist etwas schiefgelaufen.“ Wer einfach nur vorübergehe, „ohne auf das Leid unserer Leute zu hören, ohne Wurzel zu schlagen in ihrem Leben“, sei wie eine „Pflanze ohne Wurzel“ und führe „ein vertrocknetes Leben“.

Das Reich Gottes ist nicht nur „für die Berechtigten“

Allerdings gibt es in der Markusepisode auch einige Zuhörer Jesu, die den Blinden bitten, doch still zu sein. Immerhin hörten diese Menschen hin und nähmen den Blinden zur Kenntnis, sagte der Papst. Aber das war’s aus seiner Sicht auch schon mit dem Positiven. „Das sind die Bischöfe, die Priester, die Ordensfrauen, die Päpste, oder? ... Armes Volk Gottes, wie oft wird es angeraunzt, wegen schlechter Laune oder wegen der persönlichen Lage eines Jüngers oder einer Jüngerin Jesu. Es ist die Haltung, wie sie jene dem Volk Gottes gegenüber einnehmen, die es immer zurechtweisen, die immer knurren, die es immer zum Schweigen bringen wollen. Streichle es doch lieber, bitte, hör ihm zu, sag ihm, dass Jesus es liebt! „Nein, das geht doch nicht, gute Frau, schaffen sie diesen Jungen, der die ganze Zeit heult, aus der Kirche, ich predige doch gerade.“ Als ob das Weinen eines Kinders nicht eine sublime Predigt wäre!

Es ist das Drama des isolierten Gewissens derjenigen Jünger und Jüngerinnen, die denken, das Leben Jesu sei nur für jene, die sich für geeignet halten. Im tiefsten steckt darin eine tiefe Verachtung des heiligen, gläubigen Volkes Gottes: „Dieser Blinde da, was hat der sich hier einzumischen, der soll dahinten bleiben!“ 

Jesus sei angesichts von Bartimäus’ Geschrei stehengeblieben und habe sich erst einmal erkundigt, was da los sei. Und das sei, sagte Papst Franziskus, die richtige Einstellung: „Er hält inne vor dem Ruf einer Person... Und statt ihm Schweigen zu gebieten, fragt er: Was kann ich für dich tun? Er hat es nicht nötig, anders zu sein, sich abzusondern, er überprüft nicht, ob der Betreffende Redebefugnis hat oder nicht. Er fragt ihn nur, er will wissen, wer er ist, um am Leben dieses Menschen Anteil zu nehmen, um sein Los zu teilen. So gibt er ihm nach und nach die Würde wieder, die er da am Wegesrand, blind, verloren hatte, er bezieht ihn ein.“ Das Entscheidende dabei: Jesus sieht den Blinden nicht nur von außen, sondern er „identifiziert sich mit den Problemen“. Franziskus zog daraus den Schluss: „Es gibt kein Mitleid..., das nicht innehält. Wenn du nicht innehälst, nicht mit dem anderen leidest, dann hast du nicht das göttliche Mitleid. Es gibt kein Mitleid, das nicht zuhört. Es gibt kein Mitleid, das sich nicht mit dem Anderen solidarisiert. Das Mitleid ist kein zapping, es besteht nicht im Verschweigen des Leids. Es ist im Gegenteil die Logik der Liebe. Es ist die Logik, die sich nicht von der Angst bestimmen lässt, sondern von der Freiheit, die daher kommt, dass man liebt und das Wohl des Anderen über alle Dinge stellt. Es ist die Logik, die daher kommt, dass man keine Angst hat, dem Leid unserer Leute nahezukommen. “ Und das sei „die Logik der Jüngerschaft“.

Franziskus war von seinen Zuhörern in Santa Cruz ausgesprochen enthusiastisch empfangen worden. „Mehrfach dachte ich, die Ordensfrauen reißen ihm gleich noch die Kleider vom Leib“, kommentierte ein Beobachter. Bei der immer wieder von Beifall und einfachen Gesängen unterbrochenen Begegnung hielt u.a. eine Ordensschwester (ohne Schleier) eine kleine Ansprache; dabei nannte sie den Gesang einen Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und des Glaubens.

(rv 09.07.2015 sk)








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