2015-07-08 16:02:00

Papstpredigt über Verkündigung: „Das ist unsere Revolution“


Der Glaube an Christus ist revolutionär, er verbindet die Einheit aller Menschen mit dem Auftrag, diese frohe Botschaft zu verkünden. Unter diesem Motto feierte Papst Franziskus am Dienstag in Ecuadors Hauptstadt Quito eine Heilige Messe mit rund 700.000 Pilgern. Daran nahmen auch viele Vertreter indigener Volksstämme mit bemalten Gesichtern und charakteristischer Kleidung teil. Die Gestaltung der Feier war ganz und gar ecuadorianisch, der Papst wurde von selbstbewussten Gesängen über „Ecuador, Ecuador“ empfangen, er war bekleidet mit einem Messgewand mit traditionell lateinamerikanischen Mustern und die zweite Lesung wurde auf Quechua – der indigenen Sprache – vorgetragen. Die Menschen sind stolz auf ihr Land und wollen das auch zeigen.

Papst Franziskus nahm das in seiner Predigt auf, er bezog sich auf den Ort der Messfeier: der Parque del Bicentinario erinnert an die Unabhängigkeit Ecuadors und ganz Lateinamerikas von der Kolonialherrschaft vor zweihundert Jahren, den Grund für dieses freudige Selbstbewusstsein heute. Dieser Ruf nach Freiheit, der damals „aus dem Bewusstsein des Mangels an Freiheit, der Unterdrückung und Plünderung, der Unterwerfung“ hervorgegangen sei, solle heute von der „Freude des Evangeliums“ ausgehen. Die Revolution heute sei die Verkündigung und genauso wie damals solle sie in Jubel und Freude ihren Ausdruck finden.

Der Weg zu dieser Form der Verkündigung sei die Einheit, betonte der Papst. „Wir, die wir uns hier alle mit Jesus um den Tisch versammelt haben, sind ein Jubelruf, ein Schrei, welcher aus der Überzeugung hervorgeht, dass seine Anwesenheit uns zur Einheit antreibt“. Einheit sei selbst schon Verkündigung. Und wie Jesus selber gebetet habe „sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt“ (Joh 17:21), so sei dies heute der Auftrag an alle Christen: Einheit um Zeugnis abzulegen für Christus.

Dazu braucht es aber zuerst einen Blick auf die Wirklichkeit, Jesus betet mit Blick auf sein Kreuz: „In diesem Augenblick erfährt der Herr ganz persönlich die zunehmende Bosheit dieser Welt, die er trotzdem wie verrückt liebt: Intrigen, Misstrauen, Verrat – aber er zieht nicht den Kopf ein, er beklagt sich nicht.“ Das Gleiche gelte auch heute, auch wir lebten in einer zerrissenen Welt. Diese Zerrissenheit braucht aber einen aufmerksamen Blick, denn sie beschränkt sich nicht auf die Oberfläche, auch in uns selbst gibt es Spannungen und einen verbreiteten Individualismus, der uns voneinander trenne und die Einheit beschädige.

„In ebendiese herausfordernde Welt mit ihren Egoismen sendet uns Jesus, und unsere Antwort ist nicht, uns dumm zu stellen, uns damit herauszureden, dass wir keine Mittel haben oder dass die Wirklichkeit unsere Möglichkeiten übersteigt. Unsere Antwort wiederholt den Ruf Jesu und nimmt die Gnade und den Auftrag zur Einheit an.“

Christen beharrten auf dem Bauen von Brücken, dem Knüpfen von Beziehungen, der gegenseitigen Hilfe. Steriles Streben nach Prestige, Vergnügen oder wirtschaftlicher Sicherheit brächte keine Einheit, wiederholte er eine seiner oft vorgebrachten Kritiken. Die Verkündigung, Evangelisierung und Mission der Kirche, also ihr von Jesus Christus erhaltener Auftrag, bräuchte die Überwindung dieser Sterilität.

„Die Kirche in den Kontext der Mission zu stellen heißt für uns, die Gemeinschaft wiederherzustellen, da es nicht mehr um eine nur nach außen gerichtete Tätigkeit geht... Wir missionieren nach innen, und wir missionieren nach außen.“

Das Ziel, also die Einheit um die Jesus im Evangelium bete, sei letztlich unbegreiflich und müsse deswegen in Bildern von Gemeinschaft sprechen, so der Papst. „Darum ist die Einheit, um die Jesus bittet, nicht Einförmigkeit, „sondern vielgestaltige Harmonie, die anzieht“ (Evangelii gaudium 117). Der unermessliche Reichtum der Mannigfaltigkeit, die Vielheit, die jedes Mal, wenn wir das Gedächtnis jenes Gründonnerstags begehen, die Einheit erreicht, entfernt uns von der Versuchung durch Vorschläge, die eher Diktaturen, Ideologien oder dem Sektenwesen ähneln. Ebenso wenig ist es eine Übereinkunft nach unserem Maß, in der wir es sind, die die Bedingungen stellen, die Mitglieder wählen und die anderen ausschließen. Jesus betet, dass wir Teil einer großen Familie werden, in der Gott unser Vater ist und wir alle Geschwister sind.“

Diese Einheit baut sich nicht darauf auf, dass Menschen denselben Geschmack hätten oder die gleichen Sorgen. Die Menschen seien Geschwister, das sei tiefer als rein menschliche Maßstäbe das auswählen könnten.

„Wie schön wäre es, wenn alle bewundern könnten, wie wir füreinander sorgen. Wie wir uns gegenseitig ermutigen und einander begleiten,“ so Papst Franziskus abschließend. Hier könnte man das echte Geschenk sehen, das Geben seiner Selbst und nicht nur einer Sache. Und genau hier wirke der Geist Gottes. „Wenn der Mensch sich verschenkt, begegnet er wieder sich selbst in seiner wahren Identität als Kind Gottes, (..) als Bruder Jesu, von dem er Zeugnis gibt. Das heißt evangelisieren, das ist unsere Revolution, und weil unser Glaube immer revolutionär ist, ist das unser tiefster und ständiger Jubelruf.“

Franziskus traf Bischöfe Ecuadors

Mehrere Mal würdigten die Zuhörer Franziskus mit Applaus. Vor dem Schlussgebet waren spontane Sprechchöre zu hören, die freudig „Te queremos, Francisco, te queremos!" riefen. Vor der großen Messe im Bicentenario-Park hatte Franziskus die rund 40 Bischöfe Ecuadors getroffen, darunter auch die bereits emeritierten. Das informelle Treffen dauerte rund eine Stunde.

(rv 07.07.2015 ord/mc)








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